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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Hellwag, Fritz: Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Magdeburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0191

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ARBEITEN DER KUNSTGEWERBESCHULE IN MAGDEBURG

Zeichen- und Modellierunterricht belegen, sich dann aber
vom Zeichenunterricht der Fortbildungsschule dispensieren
lassen mußten. Die Entwicklung hat diesem konsequent
durchgehauenen Prinzip recht gegeben und der Besuch
der Handwerkerklassen hat sich auf dieser Basis wieder
sehr gehoben. Dasselbe Beispiel bot sich in den städti-
schen Schülerzeichenklassen für Schulknaben von 12 —14
Jahren, deren Besuch man von außen recht erschweren
wollte, die aber jetzt gefüllt sind mit glücklichen Kindern,
die mit Jubel ihrer Phantasie die Zügel schießen lassen,
wenn sie unter Delavillas oder Fiebigers Leitung ihre
bunten Erinnerungsbilder mit Stift und Schere neu ge-
stalten. Solche Kinder empfangen meistens schon hier
handwerklichen Samen und werden später der schweren
Frage der Berufswahl nicht Verständnis- und empfindungs-
los gegenüberstehen. Wie Thormählen sich durch jene
Widerstände nicht beirren ließ, so hat er auch der Ver-
suchung widerstanden, an dem, zeitweise beängstigenden,
beinahe etwas reklamehaften Wettlauf mancher Kunst-
gewerbeschulen teilzunehmen. Rückte doch ohnedies seine
Schule langsam aber sicher in die erste Reihe der deutschen
Schulen; ihre Anerkennung bereitete sich im stillen vor
und wurde erkennbar dadurch, daß besonders auch die aus-
wärtigen Schüler und Schülerinnen sich mehrten, daß ihre
Lehrer an andere Schulen berufen und daß ihren begabten
Schülern Lehrämter an anderen Anstalten angetragen wur-
den. Im dritten Bericht des Königlich Preußischen Landes-
gewerbeamtes vom Jahre 1909 heißt es: »Die Schule wurde
mehrfach von Lehrern anderer Anstalten auf kürzere Zeit
besucht, die mit ministerieller Unterstützung dort gewisse
Unterrichtsgebiete kennen lernen sollten.'; □

Klasse R. Riitsclii

d Den Stamm des Magdeburger Lehrprogrammes bildet
seit vielen Jahren der Zeichenunterricht. Ich kenne keine
Schule, an der so systematisch und vielseitig gezeichnet
wird, wie an der Magdeburger Schule. Dieser Unterricht
gibt den Schülern eine sichere und unverwüstliche Grund-
lage auf allen Gebieten. Gleich von Anfang an wird dem
beliebten »Mundspitzen« entgegengewirkt, es muß »ge-
pfiffen« werden. Deshalb ist, wenn auch in beschränktem
Maße, das Körper- und Gerätezeiclmen, das Schattieren
nach Modellen beibehalten worden; als besonders ge-
schmackbildender Faktor wurde für alle Schüler das Schrift-
zeichnen oder besser-schreiben eingeführt; die Hauptsache
bildet aber natürlich neben dem fachlichen und geometri-
schen Zeichnen das Zeichnen nach Natur und Gedächtnis
und vor allem das Aktzeichnen und das Studium nach
Pflanzen und Tieren. Neben solcher gründlichen Schu-
lung des Auges und der Hand wurde schon sehr früh die
Wichtigkeit des Arbeitens und Studierens im Materiale
erkannt. Bereits im Jahre 1904 bestanden Werkstätten für
Keramik, Lithographie, Buchdruck; im gleichen Jahre trat
eine Werkstatt für Handweberei und Stickerei hinzu, und
im Jahre 1905 wurde das Färben und das Radieren neu
eingeführt; 1907 finden wir die Chemie für Keramiker als
selbständiges Unterrichtsfach unter der Leitung des erprob-
ten Hauptes der Keramiker-Familie von Heider. Eine
weitere Ausdehnung des Werkstätten-Betriebes wurde be-
hindert durch die schlechten Raumverhältnisse im alten
Gebäude, die allmählich überhaupt einer gesunden Ent-
faltung der sich dehnenden Kräfte entgegenstanden. Erst
in diesem Jahre konnte die Schule im Neubau in frisches
Erdreich verpflanzt werden und sofort faßte sie in wohlein-
______________ gerichteten Werkstätten für hand-
werkliche Metallarbeiten, Buch-
binderei, Handvergoldung, Photo-
graphie, photomechanische Re-
produktionsverfahren und in Ver-
suchsräumen für Dekorations-
maler (Prof. Rettelbusch) kräftig
neue Wurzeln. Wie die Beschäf-
tigung mit dem Material günstig
auf die Schüler einwirkt, kann
man z. B. in den Textilklassen
erkennen, wo ihnen direkt aus
dem Material eine frische Farben-
freudigkeit entgegenströmt; die
glücklichen Versuche mit Echt-
färberei beeinflussen diese Lehr-
zweige in der besten Weise. □
n Ich möchte noch einige Be-
merkungen über einzelne Klassen
anfügen. Die malerische Note
im Zeichenunterricht ist in den
Studien der Klasse R. Winckcl zu
erkennen, es ist hier der Haupt-
wert auf Ton- und Lichtwerte ge-
legt ; die Studien nach ein und dem-
selben Gegenstande in Hinsicht
auf verschiedene zeichnerische
Wiedergabe und Reproduktions-
verfahren zeugen vom Streben
nach Gründlichkeit. M. Kßppens
Schüler geben ihre Akte gut im
Raum und im flächigen Aufbau.
— Das Schriftschreiben (»Zeich-
nen« sollte man's nicht nennen!)
wird zum Teil in der Klasse
E. Hoffmann, besonders aber in
der Klasse Prof. N/gg mit Erfolg

K. zur Hellen, Wohnzimmer
 
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