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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

DOI Artikel:
Widmer, Karl: Das naturalistische Ornament
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0194

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ARBEITEN DER KUNSTGEWERBESCHULE IN MAGDEBURG

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Klasse Koppen: E. Zoberbier, Aktstudie in Kohle

r€0l'MANN.

Klasse Koppen: Herb. BoIImann, Aktstudie in Te

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einzelne Elemente seiner Dekorationsweise (z. B. das Stren-
blumenmuster,'das in Japan im Anfang des dreizehnten Jahr-
hunderts auf Stoffen und Lackarbeiten entstanden ist) aus
China und Japan entlehnt, sondern berührt sich überhaupt
im Geist seiner dekorativen Sprache — dem Naturalismus,
der Unsymmetrie, dem unarchitektonischen Gesamtcharakter
— unmittelbar mit dem der chinesisch-japanischen. o

□ Neben dem japanischen spielt denn auch der historische
Einfluß seiner eigenen Rokokokunst im modernen franzö-
sischen Kunstgewerbe eine entscheidende Rolle. a
n Dazu kommt als dritter, sehr wichtiger Faktor auch
der Einfluß der hochentwickelten französischen Bildhauerei
der Gegenwart, die wiederum an sich wie In ihrer
Anwendung auf das Kunstgewerbe sehr viele wesens-
verwandte Züge mit der französischen Plastik des Barock
und Rokoko aufweist. D
o Die befruchtenden Gedanken, die Europa speziell aus
der japanischen Kunst empfangen hat, wirkten am frühesten
in der Malerei Die Maler gehörten zu den ersten und
begeistertsten Sammlern japanischer Holzschnitte, und der
Anteil Japans an der Entwicklung von Manet, Degas und
dem ganzen modernen Impressionismus erstreckt sich auf
grundlegende Prinzipien der Naturanschauung und Bild-
komposition, die mit ihnen in der modernen Malerei zur
Herrschaft gelangt sind. (Der moderne Naturausschnitt
usw.) □

d Etwas später äußert sich der japanische Einfluß in der
angewandten Kunst. Wenn Japan hier die Brücke ge-
worden ist, über die das französische Kunstgewerbe den
Anlauf zu einer künstlerischen Regeneration genommen
hat, so hat das vor allem in der Keramik dauernde Früchte
getragen. Freilich liegt hier die tiefere Bedeutung der
von Japan ausgegangenen Anregungen weniger in der
Entwicklung einer neuen Ornamentik als überhaupt in der
Aufschließung eines neuen Feldes künstlerischer Tätigkeit.
Der französische Bildhauer Jean Carries hat, angeregt
durch die Betrachtung japanischer Töpfereien auf der
Pariser Weltausstellung von 1878 die japanische Gres-
technik in die französische Kunst eingeführt. Er wurde da-
mit der Begründer der modernen Keramik und hier liegt
sein größtes Verdienst: er hat die Töpferkunst wieder auf
die Stufe einer höheren künstlerischen Tätigkeit gehoben.
Er ist der erste moderne Kunsthandwerker im eigentlichsten
Sinn des Wortes. D

n Carries war Bildhauer von Haus aus: in der Gres-
plastik — der freien und der auf die Architektur angewandten
dekorativen Gresplastik — haben denn auch die von ihm
ausgehenden Anregungen ihre bedeutendsten Früchte ge-
zeitigt. Aber auch die französische Grestöpferei — soweit
sie nicht nach dem Vorbild Japans überhaupt auf das
Dekor verzichtet und lediglich durch den Reiz der Glasur-
farben (Überlaufglasuren, Art du feu) wirkt — bevorzugt
 
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