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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Schulze, Otto: Die XXI. Wanderversammlung des deutschen Gewerbeschul-Verbandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0202

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XXI. WANDERVERSAMMLUNG DES GEWERBESCHUL-VERBANDES

193

Dr. Georg Kersehensteiner-München, seinen Vortrag über
den »Stand und die Entwicklung der Fach- und Fortbildungs-
schulen Bayerns;. Zahlen, Daten und Namen, Tabellen,
Verfügungen und Lehrpläne unterstützten in lückenloser
Folge die den Stoff beherrschenden Ausführungen, die den
Hörern bewiesen, welchen großen, auch vorbildlichen An-
teil Bayern an der Entwicklung des gewerblichen und Fach-
schulwesens Deutschlands hat. Die Grundlagen und ersten
Anfänge dafür reichen über hundert Jahre zurück. — Von
den weiter gehaltenen Vorträgen interessieren die Leser
unserer Zeitschrift besonders die folgenden. Über »Die
Materialienkunde für Maler, ihre Methode und ihr Ziel«
sprach Maler Hugo Hillig, Lehrer der Staats-Kunstgewerbe-
schule zu Hamburg. Der Redner, der mir auf seinem Ge-
biet nicht nur ein befähigter Fachmann, sondern auch ein
tüchtiger Pädagoge zu sein scheint, packte das Thema von
der einzig richtigen Seite an, denn er ging lediglich von
praktischen Voraussetzungen aus, das heißt von Anstrichen,
Arbeitsmethoden und Materialen in ihrem gegenseitigen
Abhängigkeitsverhältnis. In der Materialienkunde spielen
Namen und chemische Formeln die allergeringste Rolle;
der Maler und Anstreicher muß die Güte oder die Minder-
wertigkeit durch die sachgemäße Verarbeitung kennen
lernen; in dem gegenseitigen Verhalten der Anstriche und
Farben, der Grundierungen und Lackierungen lerne der
junge Fachmann sowohl die Farbstoffe selbst, wie ihre
Anmischung und Bindemittel kennen. Es soll schon hier
angedeutet werden, daß die Hoffnung besteht, die Vor-
träge im Druck erscheinen zu lassen. Diese Materialkunde
ist geradezu vorbildlich für die Behandlung ähnlicher Lehr-
stoffe. °
□ Von weittragender Bedeutung war auch der Vortrag
von Dr. E. Berdel von der Königl. keramischen Fachschule
zu Höhr; er hatte zum Inhalt »Die Bedeutung des natur-
wissenschaftlichen Unterrichts für die Kunstgewerbe«. Wer
jemals sich in die Publikationen des Professors Meurer
und des Geheimrats Haeckel vertiefen konnte, wird heraus-
fühlen, daß es auch dem Vortragenden nicht um eine
schulmeisterliche Unterweisung und Klassifizierung der
Geschöpfe Gottes zu tun ist, sondern um ein innerliches
Hineinleben, um eine Versenkung in die Gesetze der Werke
der Schöpfung und damit um ein wirkliches Mitempfinden
der großen Vorgänge. Der Vortrag war von großem poe-
tischen Gehalt und psychologischer Tiefe, voll ethischer
Gesetze. Der Redner erwartet von einem solchen Unter-
richt mit Recht eine sittlichere Weltanschaung der Schaffen-
den, eine Bereicherung der Phantasie und eine Erweiterung
des Arbeitsgebietes nach Formen, Farben und allgemeinen
Gestaltungsmöglichkeiten. Dr. Berdel verdient aufrichtigen
Dank für seine gehaltvollen Anregungen. n
n Etwas heiklere Themen behandelten zwei andere Redner
in Sachen der Abgrenzung der Lehrziele der verschiedenen
Schulgattungen; denn ehrgeizige Schulleiter sind immer
geneigt, die Stufe der nächsthöchsten Schulgattung ins
eigene Gefechtsfeld zu ziehen. In neuerer Zeit kommt
namentlich die Fortbildungsschule größerer Städte sehr
leicht in das Gehege der am gleichen Orte befindlichen
Fachschulen hinein; dem muß mit allen zulässigen Mitteln
entgegengearbeitet werden. Direktor Back von der Ge-
werbeschule in Frankfurt a. M. behandelte in erschöpfender
und sachlicher Form die Aufgaben und Ziele der ver-
schiedenen gewerblichen Lehranstalten in seinem Vortrage
»Die freiwillige Gewerbeschule in ihrem Verhältnis zur
Pflichtfortbildungsschule einerseits und zu den Kunst-
gewerbeschulen und Fachschulen andererseits.« Ganz
scharfe Grenzlinien lassen sich ja nicht immer ziehen, denn
die schmückenden Gewerbe lassen sich auch in den nicht
eigentlichen Kunstgewerbeschulen so wenig nach unten

wie nach oben scharf begrenzen. Gewisse Freiheiten
müssen geachtet werden; einsichtsvolle Schulleiter werden
aber stets im Interesse der ihnen anvertrauten Zöglinge
rechtzeitig Anlaß nehmen, die Begabtesten, namentlich in
künstlerischen Fächern und Geschmacksfragen, einer bes-
seren Ausbildungsmöglichkeit an einer gehobenen Anstalt
zuzuweisen. Hier fehlt es sehr häufig an einer selbstloseren
Einsicht. In der Debatte machte Landesgewerberat Dr.
Kühne-Berlin mit Recht den bemerkenswerten Hinweis
daß es eine Vergeudung der öffentlichen Mittel bedeute^
wenn, nach ihrer Bestimmung, gesonderte Schulen nach
Parallelstellung strebten. — Der Redner des anschließenden
Vortrags, Dr. W. Kley, Direktor der städtischen Gewerbe-
und Handelsschule zu Harburg a. d. Elbe, hatte, da er ein
verwandtes Thema behandelte, einen schweren Stand,
schon um nicht in Wiederholungen zu verfallen. Immer-
hin wußte auch er in seinen daraufhin gekürzten Ausfüh-
rungen neue Gesichtspunkte zu geben. Sein Thema lautete
»Fortbildungs- und Fachschule in ihren Grenzlinien, sowie
in der Staats- und Gemeindepolitik.. Dr. Kley behandelte
hierbei mehr einen wichtigen Teil der staatsbürgerlichen
Erziehung nach der wirtschaftlichen und sozialen Seite.
Der Schüler müsse Produktions- und Umsatzwerte er-
kennen und würdigen lernen, ebenso die Bedingungen für
das wirtschaftliche Wohlergehen des Staates, um diesem
zu ermöglichen, sich auf dem Weltmarkte behaupten zu
können. Eine wirtschaftliche und politische Strategie sei
dafür notwendig; hierzu könne die Grundlage schon in
den gewerblichen Schulen bei der Besprechung von Arbeits-
methoden, Materialerprobung und Kostenberechnungen
gelegt werden. Auch dieser Vortrag stellte die noch zu
lösenden Schulaufgaben greifbar nahe; der Gedankenaus-
tausch beider Redner war gegenseitig befruchtend. □
o Ein Thema von vielseitiger Tragweite behandelte auch
der Berliner Kunstschriftsteller Robert Mielke in seinem
Vortrage »Handwerk und Industrie auf dem Dorfe und
die Erziehung des gewerblichen Nachwuchses . Dem
Stoffe selbst ist man sogar schon mehrfach mit praktischen
Versuchen in der Neubelebung alter oder Verpflanzung
neuer Hausindustrien zu Leibe gegangen. Meistens jedoch
mit negativem Erfolg, weil der Wunsch nach gutem Ge-
lingen von der Persönlichkeil Einzelner ausging, in den
Landstrichen und Dörfern aber selten tiefer Wurzel fassen
konnte. Oft standen Aufwand und Leistung in gar keinem
Verhältnis zueinander; wir wissen von manchem fehl-
geschlagenen Versuch dieser Art mit schweren wirtschaft-
lichen Folgen. Mielke geht vernünftiger vor; er rechnet
mit den tatsächlichen Verhältnissen des Landmannes in
seinem Zusammenhange mit der Landwirtschaft, deren
stillen Zeiten und ihrer wirtschaftlichen Ausnutzung durch
günstige Arbeitsgelegenheiten auf industriellem und hand-
werklichem Gebiete. Hier muß allerdings noch ganze
Arbeit verrichtet werden, denn der Zuzug der ländlichen
Bevölkerung nach der Stadt dauert noch immer an. Mielke
verspricht sich auch nach der Festigung und Organisation
des ländlichen Handwerks durch die Hebung und Er-
weiterung der ländlichen Fortbildungsschule eine weitere
Besserung und Förderung des handwerklichen Nachwuchses
auf dem Lande. D
□ In allen diesen Vorträgen ruhte eine Fülle neuer An-
regungen und Ausblicke. Jedenfalls brauchen wir einen
Stillstand oder gar Rückgang in unserm gewerblichen Schul-
wesen nicht zu befürchten. Wir sind damit noch immer
im Ausbau und Aufstieg begriffen. — Viele Schönheiten
boten die Führungen durch das alte Regensburg in der
Besichtigung des Rathauses, des herrlichen Domes, der
Schätze des Museums, der Kreuzgänge des Domes und
von St. Emmeram. Auch die Kreisausstellung der Ober-
 
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