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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0209

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

die Hörer einen kurzen Rückblick auf die Entwickelung
unserer wirtschaftlichen Produktionsverhältnisse tun. Im
Anfang produzierte die Familie nur für ihren eigenen Be-
darf; die selbstverständliche Begleiterscheinung war, daß
nur Qualitätsarbeit geleistet wurde. Die wachsenden Städte
steigerten den Bedarf und machten jener Naturalwirtschaft
bald ein Ende. Die einzelnen Funktionen wurden speziali-
siert und das Handwerk entstand. In einzelnen Straßen
wurden die verschiedenen Zweige des Handwerks gemein-
sam betrieben. Alle Produktion wurde von den Innungen
aufs strengste kontrolliert: die staatsbürgerliche Bedeutung
der Qualitätproduktion war damals eine allgemein geteilte
Erkenntnis. Doch bald lockerten sich diese Produktions-
formen, aus vielen Handwerkszweigen wurden Fabri-
kationen; man begann für den Export zu schaffen und die
Erfindung der Maschinen hielt mit der fortgesetzten In-
dustrialisierung der Erzeugung gleichen Schritt. Der
Innungszwang mußte fallen und es wurde die allgemeine
Gewerbefreiheit proklamiert, d. h. jede Ordnung, nicht nur
in der Produktion, sondern auch in der gesellschaftlichen
Gruppierung wurde aufgelöst. Selbst derjenige, der es
nach seinem Gewissen wünschte, konnte nicht mehr seine
Erzeugnisse qualitativ auf der Höhe erhalten, wollte er
nicht im heißen Konkurrenzkampf untergehen. Die letzten
Ausläufer dieser schlimmen Periode reichen bis in unsere
Tage hinein; gleichzeitig mit der Verwahrlosung, dem
Niedergleiten in die den Schein vortäuschende Schund-
produktion, sanken die Löhne erschreckend; das an der
Qualität der Arbeit nicht mehr interessierte Arbeiterprole-
tariat entstand, dessen Teilnahmlosigkeit man durch keine
Arbeiterschutz-Gesetzgebung, keine Festsetzung von Mini-
mallöhnen bekämpfen konnte, denn zur Freude an der
Verfeinerung der Qualität gehört doch noch etwas mehr,
als was zur Befriedigung der nackten Lebensbedürfnisse
notwendig ist. Zudem wirkten jenen Bemühungen des
Staates um die Hebung der Qualitätsarbeit die Industriellen
selbst am meisten entgegen, indem sie der Arbeiterklasse
für ihre so sauer erworbenen Groschen die allererbärm-
lichste Schundware aufhängten und sie damit um die letzten
Möglichkeiten zur Ausschmückung ihres Daseins betrogen.
Die Sozialdemokratie mit ihren Forderungen wird bessernd
auf die Lebenslage der Arbeiter und damit indirekt auf die
Grundbedingungen der Qualitätsarbeit einwirken. — So
arbeitet also der Deutsche Werkbund, indem er die Zweck-
mäßigkeit, Konstruktionsrichtigkeit und Materialechtheit
fordert, direkt auf eine Neu- und Wiederordnung unserer
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände hin. — Der
zweite Vortragende des Abends, Direktor Dr. Peter Jessen,
behandelt die Deutsche Abteilung der Brüsseler Weltaus-
stellung und unterstützte seinen Vortrag durch zahlreiche
Lichtbilder, die nach Aufnahmen aus der amtlichen, im
Verlage Julius Hoffmann erscheinenden Publikation und
aus dem offiziellen Katalog hergestellt waren. Die Be-
handlung des Terrains und die Gruppierung der Gebäude
und darin der einzelnen Räume wurden in anschaulicher
Weise erläutert. Bild und Wort gaben einen guten Ge-
samteindruck von der Bedeutung unserer kunstgewerblichen
Abteilung in Brüssel. Während sich die Abteilungen der
anderen Länder im Gesamtrahmen der Weltausstellung ge-
wissermaßen verzetteln oder in ganz unscheinbarem Ge-
wände präsentieren, ist es gelungen, die deutsche Abteilung
in geschlossener und künstlerisch-monumental wirkender
Form zu gestalten. Die Maschinenhallen von Behrens und
Dülfer zeichnen sich durch sehr großzügige und dennoch
vereinfachte Wirkung aus. Aus der großen Zahl guter

Innenräume heben sich die von Prof. Bruno Paul ent-
worfenen Hallen und die Säle der Unterrichtsabteilung be-
deutend hervor. Über die Brüsseler Weltausstellung werden
wir noch einen ausführlichen Bericht aus berufener Feder
veröffentlichen. Für jetzt möchten wir nur erwähnen, daß
der deutsche Reichskommissar sich vom Deutschen Werk-
bund hat beraten lassen, und daß dessen Einwirkung als
ein bedeutsames Anerkenntnis seiner Bestrebungen anzu-
sehen ist. Wie es scheint, wird die deutsche Abteilung
qualitativ nur von der englischen übertroffen, insofern, als
die in der englischen Abteilung ausgestellten Gegenstände
ein Bild der durchschnittlichen alltäglichen Produktion
geben, während sie in unserer Abteilung doch immer noch
in festtäglichem Gewände erscheinen, also den noch nicht
selbstverständlichen, sondern außergewöhnlichen Höhe-
punkt unseres Schaffens darstellen. f. h.

(Schluß folgt.)

SCHULEN UND UNTERRICHT

□ Krefeld. Handwerker- und Kunstgewcrbeschule. Air
den Schülerarbeiten dieser Schule merkt man durchweg
den Einfluß des leitenden Architekten Prof. Wolbrandt. Sie
zeigen eine körperhaft vorzüglich berechnete und wirkungs-
volle Gestaltung, soweit es sich um dreidimensionale
Gegenstände handelt; bei Flächengestaltungen ist ein in-
stinktiv richtiges Gefühl für die Aufteilung bemerkenswert.
Die Maler werden zu tüchtigen Wandmalern, die den Raum,
die Dekoration, das Plakat und die Schrift beherrschen, er-
zogen. Besonders hervorheben möchten wir hier die Tätigkeit
des leider inzwischen von Osthaus an dasFolkwang-Museum
in Hagen geholten Lehrers Thorn-Prikker, der in der Art, wie
er die Perspektive gewissermaßen in die Fläche hineinlegt
und in Linien und Farben auflöst, monumentalen Wirkungen
nahe kommt. Der Schulunterricht will die in der Praxis
Verstreuten auf einen höheren Stand bringen, als den des
ein technischen und mechanischen Arbeiters und führender
Kräfte heranbilden, selbsttätige Arbeiter,Werkführer, Meister
und Zeichner. Dem Ziele, die Erziehung im Sinne der
kommenden Zeit zu bewirken, strebt diese Schule stets zu.
Es werden in konstruktiver Hinsicht stets neue Versuche
gemacht. So z. B. wird mit der Fräsmaschine das Holz
in so geschickter Weise bearbeitet, daß überraschende und
unendlich variationsfähige Formen und Ornamente sich er-
geben. Vieles, was früher mit Schnitzmessern, Hobeln
und anderen Werkzeugen gemacht werden mußte, das be-
wältigt jetzt die Fräsmaschine mit spielender Leichtigkeit
und erzielt Wirkungen, die sich der Architektur und der
Raumkunst bedeutend besser einfügen, als es die Hand-
arbeit jemals zu tun vermochte. °

BERICHTIGUNG

□ In Heft 4 Seite 79 befindet sich eine Notiz, wonach
für die Schüler der Flachmusterklasse der Großherzoglich
Badischen Kunstgewerbeschule jetzt ein besonderer Unter-
richt eingefügt und dieser Professor Ule zugewiesen sei.
Dies ist dahin richtig zu stellen, daß mit dem im Oktober
begonnenen Schuljahre eine besondere Fachklasse für
Musterzeichner (für Flächenkunst) eingerichtet wurde, deren
Fachunterricht Professor Gagel (nicht Professor Ule) über-
tragen wurde. D

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwao, Berlin-Zehlendorf
Verlag von E.A.Seemann in Leipzig - Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H. in Lerpzrg
 
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