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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Osborn, Max: "Bruxelles Kermesse"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0212

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DIE WELTAUSSTELLUNG IN BRÜSSEL



203





PETER BEHRENS

DIE DEUTSCHE EISENBAHNHALLE

o Ebenso wie draußen sieht's drinnen aus. Keine
Spur von einem sorgfältigen Durchdenken der Auf-
gaben, die sich durch die Teilung der riesigen Räume,
durch die Forderung von Pavillons, Vitrinen, Quer-
wänden, Umrahmungen boten. Alles üble Schablone
von fatalster Unoriginalität. Schnitzereien, Vergol-
dungen, kleinliche Aufsätze, angenagelte Engelchen
und Genien mit und ohne Posaune. Ein Lichtblick
in diesem kleinlichen Durcheinander ist die große
Maschinenhalle, wo man wenigstens das Eisen seine
Lapidarsprache reden ließ, wenn auch ohne die Frische
und persönliche Benutzung dieses ergiebigen Motivs,
die man in der »Section allemande« findet (wovon
noch zu sprechen sein wird). o

□ Am schlimmsten aber sieht es bei den kleinen
Bauten und Pavillons aus, die sich draußen im Aus-
stellungspark drängen. Niemand wird sich hier ein
schematisierendes Reglement wünschen, das alles über
einen Kamm geschoren hätte. Aber ein so wildes
Durcheinander von Geschmacklosigkeiten hätte die
Leitung niemals zugeben dürfen. Die Barbareien, die
hier geleistet sind, schreien zum Himmel. Verhältnis-
mäßig entschuldbar ist es noch da, wo man sich mit
historischen Kopien versucht hat. Vor allem der
Pavillon der Stadt Brüssel, ein Bauwerk in vlämischer
Renaissance aus zusammengesuchten, aber dann doch

mit selbständiger und persönlicher Empfindung an-
einandergefügten geschichtlichen Reminiszenzen, macht
gute Figur. Daneben interessiert der Pavillon der
Stadt Antwerpen, der sich als der hübsche Versuch
einer Rekonstruktion des Rubenshauses präsentiert.
Wenn man sich schon einmal mit solchen Spielereien
abgibt, ist eine Phanfasiebelebung wie diese noch am
ehesten erträglich; auch ihr instruktiver Wert für das
große Publikum ist nicht zu unterschätzen. Daß man
auf demselben Wege ins Stumpfsinnige geraten kann,
beweist der langweilige altertümliche Pavillon der
Stadt Gent. Und daß man ebenso verkehrt handelt,
wenn man dabei ins große Format geht, zeigen die
Holländer, die ein riesiges Gebäude aus »falschem
Backstein« in niederländischer Renaissance errichtet
haben, in dem sie alle ihre Industrien einquartierten.
□ Die übrige Architektur — immer die deutsche Ab-
teilung ausgenommen! — steht unter dem Zeichen
der namenlosesten Konfusion. Von Brasilien bis China,
von Monako bis Uruguay regiert der Kitsch. Etwas
von Originalität und Charakter hat der Pavillon der
französischen Kolonien, der als eine Art Negerkönig-
Palast aus Lehm und Stroh von bezeichnenden Formen
erscheint. Auch im Innern, wo sich unter der Decke
breite gedruckte Friese nach plakatartigen Malereien
mit großen exotischen Figuren und Gruppen von
 
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