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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0227

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DIE WELTAUSSTELLUNG IN BRÜSSEL







□ Es ist ein Gewinn und Genuß, Hainhofers Art und Tun
unter Böttigers Führung nachzugehen; denn er weiß mit
dem Gefühl des .echten Historikers dem Ganzen gerecht
zu werden und doch auch alle Einzelheiten mit hingebender
Treue zu behandeln. Um Sinn und Bedeutung des Gegen-
ständlichen, Ursprung und Quellen des Künstlerischen und
Handwerklichen festzustellen, sind ihm kein Opfer und
keine Mühe zu groß gewesen. Jahrelang hat Dr. Böttiger
seine Muße daran gesetzt, um auf Reisen und daheim die
Meister des Schrankes, die Vorlagen, die sie benutzt haben,
die Zusammenhänge mit den sonst erhaltenen Werken aus
Hainhofers Kreis festzustellen. Bei der Untersuchung des
mannigfaltigen Inhalts
mußten Naturkunde,
Völkerkunde, Sprach-
wissenschaft, Musik-
geschichte, Numis-
matik u. a. herange-
zogen werden. □
d Auf Grund solcher,

mit eindringlichem
Scharfsinn und uner-
schöpflicher Geduld
ausgeführten Unter-
suchungen baut sich
die eingehende Be-
schreibung desSchran-
kes und seines Inhalts
auf, erläutert durch
die Fülle der Abbil-
dungen. Der Schrank
auf seinem noch er-
haltenen Tisch, mit
Schnitzereien und Ein-
lagen reich verziert.
Oben der »Berg« aus
Mineralien und die
Kokosnußschale, von
H. C. Lencker gefaßt,
durch einen knienden
Neptun getragen, auf
dem Deckel eine
hockende Venus, das
Ganze bunt ornamen-
tiert nach Art der spä-
teren Zeit. Hinter den

Türen Verschluß-
platten mit bemalten
Achatfüllungen, von
J. König. Aus dem
Innern an größeren
Stücken ein Klavi-
zimbel, verschiedene

Spielbretter in kostbaren Techniken, eine Silberkanne
mit Schüssel von Hans Michael Bayr u. a. m. Ferner in
verschiedensten Typen und Formen Eß- und Trinkgeräte,
Büchsen, Dosen, Flaschen, Toilettengeräte, chirurgische
und mathematische Instrumente, Kartenspiele und vielerlei
sonstiges Gerät für Bedarf und Unterhaltung. Ungewöhn-
lich reichhaltig dann die Sammlung der Kuriositäten aus
allen den Gebieten, die jene Zeit interessierten, ein voll-
ständiges fürstliches »Raritätenkabinett«: kleine Kunstwerke
in Schnitzerei, Medaillonporträts, Kleinbronzen, Natur-
abformungen, Miniaturbilder, chinesische Porzellanteller,
ein Florentiner Stuckkästchen, fremdländische Geräte und
Kleidungsstücke und ein buntes Durcheinander ähnlicher
Merkwürdigkeiten aus Natur und Handwerkskunst; ein
Material, das für die Kulturgeschichte jener Zeit die ver-

BRUNO PAUL, SCHRANK MIT SCHNITZEREIEN VON JOS. WACKERLE

schiedensten Ausblicke eröffnet und dem Kunsthistoriker
eine ganze Reihe wertvoller Dokumente bietet. Wer die
Geschichte der Kleinkunst, der Kunstpflege und der Sam-
melleidenschaft der Renaissance verfolgen will, wird hier
mannigfache Ausbeute finden. Es ist in der Tat eine
Materialkammer, an der kein Berufener vorübergehen darf.
Die Abbildungen, die Beschreibungen und Untersuchungen
mit ihren bildlichen Belegen greifen ineinander und bieten
Anregungen auf Schritt und Tritt. o

a Wir Deutschen müssen es mit dankbarer Befriedigung
begrüßen, daß ein ausländischer Gelehrter so viele persön-
lichste Liebe und Mühe an einen Abschnitt deutscher

Kunstgeschichte ge-
wendet hat. Da er
seine Studien uns
überdies in trefflicher
Verdeutschung (von
Dr. Ernst A. Meyer in
Stockholm) zugäng-
lich macht, so hoffen
wir doppelt, daß sein
Werk bei uns die ihm
gebührende Würdi-
gung und bei Gelehr-
ten und Kunstfreun-
den , insbesondere
auch in den berufenen

Bibliotheken eine
Stätte finde. Des
Dankes der deutschen
Fachkreise dürfen sich
der Verfasser und alle,
die seine denkwürdige
Publikation gefördert
haben, versichert hal-
ten, n

PETER JESSEN.

AUSSTELLUNGEN

□ Allenstein. Die

Gesamfanlage der Ge-
werbeaussteUung ist in
sehr geschickter und
künstlerischer Weise
von Meinhold Drols-
hagen, einem ehema-
ligen Behrens-Schüler,
gelöst worden. Das
terrassenförmig auf-
steigende, sich an den
Wald anlehnende Ter-
rain istvonden Haupt-
bauteu gekrönt, während im abfallenden Gelände die kleinen
Einzelbauten verstreut liegen. Ausgenommen die von einigen
Ausstellern selbst besorgten Gebäude, ist die Architektur
von einfacher, farbiger Gestalt, aber deshalb um so wirk-
samer. Über das ausgestellte Kunstgewerbe ist wenig
Erfreuliches zu melden, da bei dessen Entstehung nur
selten Künstler, höchstens Auszeichner mitgewirkt haben.
Die »Mustervilla« ist ein Beispiel dafür, wie es nicht ge-
macht werden darf. Erwähnenswert sind Bernstein-
Schmuckarbeiten von Moritz Stumpf in Danzig und kau-
kasische Kelimwebereien von Gertrud Windelband in
Königsberg, vielleicht noch ein Klubzimmer von S. Herr-
mann in Graudenz. Die Volkskunst-Abteilung birgt inter-
essante Einzelstücke. o
 
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