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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,2.1909

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Heft 11 (1. Märzheft 1909)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8815#0364
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Die Vilder unsrer Illustrationsbeilage „Das neue Fünfund-
zwanzig-Pfennig-Stück" und „Zu dem Ausbau gotischer
Kirchtürme" erläutern Rundschauaufsätze, die wir deshalb zu ver-
gleichen bitten.

Zu dem Ausbau des Petrikirchturms in Kulmbach sei noch eiue
Zuschrift von Lorenz Reinhart Spitzenpfeil in Kulmbach beigefügt:

„Nestauratoren und Wicderhersteller sind glücklich, wenn sie durch
vorhandene Pläne, Bildcr oder archivalische Notizcn den Nachweis er-
bringen können, ein Bauwerk habe früher so und so ansgesehen oder
sei so und so gcplant gcwesen, um daraus ein Recht für die oft so
unnötige Veränderung alter Denkmäler abzuleiten. Fehlt ihnen der-
artiges, so helfen sie sich mit allgemeincn Vermutungen, oft auf ganz
unhistorischer Grundlage. So griff man bei dem Planc, den Kulm-
bacher Petrikirchturm »auszubauen«, völlig danebcu, indem man glaubte
vollcnden zu müsscn, »was die Väter wollten«. Auf Grund längercr
eingehender Untersuchungen des Bauwerks uud seiner Geschichte darf
man als feststehend betrachten, datz das hcutige Aussehen der Petrikirchc
uud des Turmes von dem vor chlöZ trotz der Schicksale des Baudenkmals
nur unwescntlich abweicht. Anter der Balustrade (jetzt Renaissancebaluster
au Stelle des früheren gotischen Maßwerks) zog sich ciu ornamentiertcr
Fries herum. Die achteckige Glockcnstube — früher an derselben Stellc
uud im gleichen Amfange da — war sehr wahrscheinlich um (,80 Meter
höhcr und unter dcm Helmansatz ebenfalls mit einem Fries geziert.
Dcr Helm für sich hatte dieselbc Höhe wie jetzt. Fünf Schallfenster
der Glockenstube haben statt der früheren Profili,erungen (wie an zwci
Schallfeustern noch vorhanden) nur einfache Schrägcn.* Der gegenüber
früher etwas vereinfachte Wiederaufbau der Endigung (568 entspricht
dem Takte des Baumeisters (jedenfalls des Renaissancekünstlers Kaspar
Vischer), dcr gotische Schmuckformen nicht wiederholen, Renaissanccformcu
aber nur spärlich verwenden wollte. Ganz im Sinne moderner Denk-
malpflcge bei notwendigen Ergänzungen.

Von tieferem Standorte aus über Eck gesehen ist das jetzige Aus-
sehcu des Turmes günstiger als das frühere. Dagegen würden die Giebel-
ausicht und die reine Seitenansicht (auch die Nückansicht) mit der ver-
längerten Glockenstube (siehe oben) im Rahmen der Amgebung völlig
eiuwandfreie Bilder ergeben. Abrigens noch kcin Grund zu einer
»Wicderherstellung« Ietzt will man sagen »Neuschöpfung aus heutigen
Bedürfnissen« — die aber nicht vorhanden sind.

* Nach Abschlutz dcr Untersuchungen erfolgt die Veröffentlichung der
ausführlich belegten Begründung für das ebcn Gesagte. Dabei kann
der Nachweis erbracht werden, datz die Kirche mit dem Turm tatsächlich
uicht anders geplant war.

3(0 Kunstwart XXII, ((
 
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