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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,2.1909

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Heft 11 (1. Märzheft 1909)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8815#0365
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Die bisherige Polemik hat die Kulmbacher bereits vor einem be-
dauerlichcn Schritt bcwahrt. Der Schulzsche Entwurf, zwar genehmigt,
kann als gefallen betrachtet werden. Aber man plant schon wieder
etwas anderes, obwohl man eigentlich nicht recht weiß, warum man baucn
will. Eine von allen Seiten und von hohem wie von tiefem
Standort aus vollkommen bcfricdigende Lösung — selbst die prak-
tische oder tcchnische Notwendigkeit einer Anderung vorausgesetzt — ist
bei dcr außergewöhnlichen architektonischen Situation nicht denkbar. Eiu
(Zrund mehr, das lokalgeschichtlich denkwürdige, kunsthistorisch bemerkens-
werte und architektonisch interessante Bauwerk in seinem jetzigen, durch-
aus nicht unwürdigen Zustande zu belassen!"

Die bcidcn Bilder von der K u r f ü r st e n b r ü ck e mit dcm Denkmal
wie es war und wie es ist, versetzen uns unmittelbar in das Wcrden des
neucn Berlins. Man verglciche das Häuscrbild rechts auf der älteren
Ansicht mit dem Häuserbilde links auf der neueren — ist es nicht, als
sähe mau das alte geschmackvolle dem neuen protzigen, dem Parvenü-
Berlin unmittelbar gegenübergestcllt? Beim Denkmal selbst ist die Frage,
was ihm besser „stand", ob die alte oder die neue „Aufmachung", freilich
nicht so schnell entschieden — hier werden auch die Lcute von Geschmack
wohl geteilter Meinung bleiben. A

^nsre Notenbcilage bringt dicsmal einc Anrcgung zur häuslichen Pflege

des Quartettgesanges, indem sie aus dsn reichen Schätzen dcr alten
Vokalmusik ein wertvolles Kleinod hcraushebt: den ,Zug dcr Iudcn
nach Babylon" von Orazio Vecchi (aus Lonvito musicale, Venedig
Nr. s2) in der meisterhaften Verdeutschung uud Bearbeitung von
Pcter Eornelius. Das absolut Musikalische bercitet keine Schwicrig-
keiten. Die Tonschritte sind leicht zu treffen und von jener uatürlichcn
Sangbarkeit, welche die Stimmführungen in dcr Vlütezcit dcs mehr-
stimmigeu Vokalsatzes kennzeichnet. Dieser durch drei Strophcn noten-
getrcu wiederholte Satz ist zudem ganz homophon gehalten, das heißt die
übrigen Stimmen sind abhängig von der Linie dcs Soprans. Die Auf-
gabe der Ausführung wird also vornehmlich cine geistige sein und einem
sinnvoll abgctönten Vortrag zustreben. Den Gesamtausdruck dürste mau
schwerlich verfehlen können. Die tiefe Hoffnungslosigkeit, der verzwcifclte
Schmerz der Verbannung, die nagende Pein des Schuldbewußtseins prägt
sich in der dumpfcn Monotonie der Harmonien, in dem wankenden
Rhythmus dcr Komposition, in dem sentimentalitätslosen Charakter dcr
Melodie mit genügender Deutlichkeit aus. Nicht leicht ist das Zeit-
maß festzustellen. Cornelius schreibt Allegro vor, weil es kein Wall-
fahrtsgesang werden soll und die babhlonischen Schergen jcdenfalls keine
Gemächlichkeit dulden. Aber auch kein Geschwindmarsch darf es sein,

l. Märzhcft ch09 3ll
 
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