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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 8 (2. Januarheft 1910)
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Berg, ...: Groß-Berlin: Gesichtspunkte für die Beurteilung des Wettbewerbs Groß-Berlin und seine Bedeutung für die Entwicklung des modernen Städtebaus überhaupt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0101
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ten standgehalten haben, zersallen und verwtttern heuts in Iahr-
zehnten. Zinkdächer sind jetzt nach einem Vierteljahrhundert dnrch-
gefressen. Ist >es da ein Wunder, wenn auch der menschliche Organismus
dnrch die Großstadtluft allmählich zerstört wird, wenn der Großstadt-
mensch, der von Kindheit an nichts andres zu atmen erhält, degeneriert?
Und diese Luft ist sogar noch die sogenannte „fris che" Luft, die man
zum Ersatz der verdorbenen in die geschlossenen Räume führt.

Wie die Zuführung gesunden Wassers und die Entsernung der
festen und flüssigen Abfallstoffe heute noch eine tzauptaufgabe der
Großstadthygiene bilden, so muß heute hinzukommen als schwierigste
hygienische Aufgabe die Entfernung der gasigen Abfallstoffe, die
Verbesserung der Luft. Man könnte sich denken, daß die Rauchgase
in ähnlicher Weise wie die festflüssigen Abfallstoffe durch Kanäle ab-
geführt, zusammengefaßt und unschädlich gemacht werdeu. Man könnte
sich denken, daß für die Erzeugung von Wärme lediglich elektrische
Kraft verwendet wird. Die völlige Beseitigung der gasigen Abfall-
stoffe ist jedoch Aufgabe der Zukunft. Ansre Zeit kann lediglich auf
eine Milderung hinarbeiten. Diese erstrebt wenige große und viele
kleine Mittel, so u. a. das Verbot der Anlage von industriellen
Anternehmungen iu den Städten, ihre Zulassung nur in entfernter
Lage und die dauernde strenge Kontrolle sämtlicher Feuerungen.

Die weitere und wichtigere Aufgabe der Luftverbesserung liegt je-
doch rein auf städtebaulichem Gebiet in der Behandlung des die Groß-
städts umgebenden noch nicht bebauteu Geländes. Es ist nötig,
große Flächen vou der Bebauung freizuhalten. Das
hat in verschiedener Weise zu geschehen.

Schonung der Wälder

Die iu der Nähe der Großstadt liegenden Waldun-
geu sind ganz oder mindestens zum größtenTeil von
der Bebauung auszuschließen durch eiu Waldschutz-
gesetz.

In Wien ist der Anfang dazu gemacht. Die Schonung der Wälder
in der Nähe der Großstädte als deren „Lungen" ist wichtiger für die
Allgemeinheit denn ihr fiskalischer Wert als Baustellen. Wer würde
heute noch daran denken, den Tiergarten zu bebauen trotz seines großen
Wertes als Baustelle? Was der Tiergarteu für die vergaugene Gene-
ratiou war, das sind die Wälder für die heutige und in noch höherem
Grade für die zukünftigen Geschkechter.

Durchdringung der Wohnstadt mit Grünanlagen

Die Verbesserung der Luftverhältnisse wird weiter erreicht dadurch,
daß die bebauten Teile vollständig mit Grünanlagen zu durchdringen
sind. Als lebenspendende Adern sind sie netzartig in einer durchschnitt-
lichen Breite von 200—jOOO Metern in dem Plau größtenteils so
eingefügt, daß sie unter sich und mit den Waldungen in Verbindung
sind. Vorhandene Wald- oder Gehölzbestände, Wiesengründe, Was-
serläufe und dergleichen wird man für diese Anlagen möglichst heran-
ziehen. So durchdringt und umschließt zugleich Vege-
tation die Wohnstadt.

Diese Grünaulagen haben neben der Erhöhung der Annehm-
lichkeit des Wohnens und neben der Luftverbesserung aber vor allem

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