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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 8 (2. Januarheft 1910)
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Berg, ...: Groß-Berlin: Gesichtspunkte für die Beurteilung des Wettbewerbs Groß-Berlin und seine Bedeutung für die Entwicklung des modernen Städtebaus überhaupt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0102
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auch uoch den Zweck, ohne Aberwindung großer Entfernungen, also
ohne Geld-- und Zeitaufwand für Iugend und Alter Gelegenheit
zu schaffen zur körperlichen Bewegung in frischer Luft. Denn
diese ist das einzig mögliche Gegengewicht gegen die schädigenden
Einflüsse des dauernden Aufenthalts in geschlossenen Räumen. In--
dessen sollen die Grünanlagen nicht nur dienen zu Spaziergängen
und sportlicher Betätigung, Spielplätzen, Luftbädern und Schwimm--
bädern. Sie sind darüber hinaus die Stätten, an deneu die Schuleu,
die Krankenhäuser, Siechenhäuser, Armenhäuser u. a.
anzulegen sind. Sie sollen das Ideal der „Waldschuke" für die Großstadt
im allgemeinen ermöglichen. Sie sind außerdem auch deshalb so um-
fangreich angenommen, weil Teile von ihnen für die Bevölkerung zu
gärtnerischer Benutzung herausgeschnitten werden sollen. Das gesunde
Bestreben eines großen Teiles unsrer Bevölkerung, durch körperliche
und zugleich nutzbringende gärtnerische Tätigkeit in frischer Luft die
Schädigungen des Großstadtlebens mit seinem täglicheu und nächt-
lichen Aufenthalt in schlechter Luft auszugleichen, äußert sich in der
Anlage der bekannten Laubenkolonien. Diesem Bestreben ist
städtebaulich möglichst entgegenzukommen. Es bedeutet die Berührung
mit der Erde, die dem Antäus immer wieder neue Kraft verleiht,
und bildet den Keim der Gesundung der Großstädte.

Ie näher die Grünanlagen und die Wälder dem Zentrum liegen,
von desto größerem Werte sind sie für die Stadt. Deshalb ist zuuächst
im unmittelbaren ringförmigen Anschluß an die bebauten Gebicte von
Berlin, Charlottenburg, Schöneberg, Rixdorf ein möglichst umfasssn-
der, zusammenhängender Grüngürtel zu bilden für die innerhalb
dieses Ringes befindliche Bevölkerung. An ihn schließt sich das audre
Grünnetz an. Er ist tatsächlich nur dadurch zu schaffen, daß auf viele
bereits für die Bebauung vorgesehene, jedoch noch nicht bebaute Blöcke
das Bauverbot gelegt wird. Bedenkt man, daß bei der Weiterent-
wicklung von Groß-Berlin dieser Ring später mitten im bebauten
Gebiet liegt, so leuchtet ein, daß man ihn unbedingt schasfen muß für
die Gesundheit der Innenbevölkerung und hierzu keine Mittel scheuen
d arf.

Mit den gesundheitlichen Fragen der Luftdurchdringung in engem
Zusammenhange steht die Frage: Wie ermöglichen wir die freie
Entwicklung eines zukünftigen fortgeschrittenen Städtebaues? Das
ist gleichfalls nur durch Freihaltung großer Flächen von der
Bebauung zu erreichen. Gewisse große zusammenhängende Ge-
biete, die voraussichtlich erst nach zwanzig Iahren für die Be-
bauung in Betracht kommen, sind mit einer vorläufigen Bau-
beschränkung zu belegen. Das ist nun nicht so zu verstehen, daß
man durch Bauverbot jede Möglichkeit der Entwicklung abschneidet.
Man soll vielmehr auch für diese Gebiete einen Bebauungsplan nach
dem heutigen Stande des Städtebaus aufstellen, soll jedoch mit allen
Mitteln darauf hinwirkeu, daß diesen Teilen ihr ländlicher Cha-
rakter, mit landwirtschaftlich gärtnerischem Betrieb, erhalten bleibt.
Dies ist zu erreichen in weitgehender Beschränkung nach Bauhöhe und
Bauweite, in der Begünstigung landwirtschaftlich gärtnerischer Be-
triebe, in der Fernhaltung großstädtischen Schnellbahnvcrkehrs. Diese

2. Ianuarhcft WO 7^
 
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