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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 8 (2. Januarheft 1910)
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Berg, ...: Groß-Berlin: Gesichtspunkte für die Beurteilung des Wettbewerbs Groß-Berlin und seine Bedeutung für die Entwicklung des modernen Städtebaus überhaupt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0104
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für landwirtschaftlichen und gärtnerischen Bstrieb freizuhaltenden
Flächen erstrecken sich zungenartig bis an das Inners Groß-Berlins.
Im Verein mit den großen Waldzungen uird den die Wohnstadt durch-
dringenden Grünanlagen dienen sie infolgedessen neben der Schaf-
fung der Möglichkeit freier Entwicklung für einen zukünftigen Städts-
bau noch der Luft- und Wohnverbesserung und erreichen diesen Zweck
besser, als eine allgemeine übertrieben weite und dadurch unwirt-
schaftliche Bcbauung. Auch kommen ihre an die Bebauung an-
grenzenden Teile in Betracht für das gegenwärtige und für das zu-
künftige Bedürfnis des Großstädters, die Berührung mit der Natur
(Schrebergärten, Laubenkolonien usw.) wiederherzustellen.

Welche Teile der Umgebung Berlins für die Bebauung und welche
für die Freihaltung von der Bebauung im einzelnen in Frage kommen,
das bedarf eingehender Untersuchungen auf topographischem und stati-
stischem Gebiet und dem Gebiet der Bevölkerungsbewegung. Diese
werden Hauptaufgabe der Männer sein, die der städtebaulichen Ent-
wicklung Groß-Berlins die Richtung geben werden.

Die allgemeine Beurteilung dieser Frage ist jedoch von zu großer
Wichtigkeit, als daß sie hier übergangen werden kann. Die historische
Entwicklung Groß-Berlins gibt auch auf diesem Gebiet die Richt-
schnur.

Man beobachtet in der jahrhundertlangen Entwicklung Berlins
einen entschieden südwestlichsn Zug. Es ist interessant zu sehen, wie
die neuere Entwicklung, allerdings in bedeutend vergrößertem Maß-
stabe, in topographischer Beziehung eine Parallele zu der frühern
bildet.

Die Citybildung hat sich vom Alexanderplatz in der Richtung der
Leipzigerstraße bis zum Potsdamerplatz erstreckt. Die Rolle, die bis
vor hundert bis sünfzig Iahren Charlottenburg für Berlin spielte,
ist jetzt von Potsdam aufgenommen, der Tiergarten wird durch den
Grunewald abgelöst, die Rolle der früher außerhalb des Potsdamer
Tores gelegenen Teile, des sogenannten Westens, des Tiergartenviertels
hat Charlottenburg und das Grunewaldviertel übernommen. Die Rolle
von Moabit, das noch vor dreißig Iahren öde lag, übernimmt Spandau
und Tegel. Diese Parallele läßt sich durch Iahrhunderte auch auf
das noch ältere Berlin zurückverfolgen. Als Parallelen seien nur
genannt: Der frühere Lustgarten verhielt sich zum früheren Tier-
garten wie der jetzige Tiergarten zum Grunewald, und die Gegend
der Wilhelmstraße wurde das vornehme Wohnviertel. Auch auf die
östliche Seite, den Hauptsitz der industriellen Entwicklung, läßt sich
diese geschichtliche Parallele ausdehnen.

Wir beobachten dabei das alte Gesetz, daß Städte, die an Fluß-
läufen liegen, sich parallel zu diesen entwickeln, und daß sogar die
kleine Spree und Havel dieses Gesetz zur Geltung gebracht haben.
Sie wurden dabei unterstützt durch die an ihnen liegsnden Wälder.
Dies Gesetz ist nun auch für die zukünftige städtebauliche Entwicklung
maßgebend.

Drei große Waldzungen mit Wasserläufen erstrecken sich auf Berlin.
Von Südwesten: Potsdam mit den Potsdamcr- und Grunewald-
forsten. Von Nordosten: Spandau und Tegel mit ihren Forsten. Von

Kunstwart XXIII, 8
 
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