Religion sogar ist Gcfühl und nur Gefühl. Die Fabel ist verhältnis-
mäßig einfach: Das Land Stcyr erlebte einen Aufstand der Protestanten,
nun aber sind die Katholiken, die Kaiserlichen Sieger gebliebcn. Die
Kctzerrebcllcn sind gerichtet; nur wcnige trohen noch, nntcr ihncn Mar-
garet, dic junge, schöne Witwe eines der Hingcrichtcten. Die regierenden
Militärs der Stadt lassen sie, die ein Kindlein wiegt, gewähren. Aber
dcr Statthalter schickt einen jungen Pappenheimer Reitcrlentnant —
einen wahren Mars an Kraft, Iugendstärke und Roheit — mit fünfund--
zwanzig Reitern, sie zu knranzen und zu bekehren, ihr ins Ouartier.
Ihr armcs Häusel, dcr geringe Wohlstand sind im Nu ruiniert, nichts
von dem Gefordcrten kann sie aufbringen; sie ist dcm Anheil verfallcn.
In nächtlichcr Stunde sucht dcr im übrigen nach Kriegsbegriffen ehren-
feste Leutnant Ernst von Herliberg sie zu vergewaltigcn. Im letzten
Augenblickc gemahnt ihn die hilflose Fran an seine vcrstorbene Mutter,
und die Vorstcllung von ihren blutig tränenden Augen schreckt dcn
Äbeltäter vom Außersten zurück. Mutter und Kind entfliehen in der
gefahrvollen Sturmnacht; halb schon dem Tod verfallen, werden sie von
cinem katholischcn Steyrer Ratsherrn gerettct, dem dic ganze Drang-
salicrung lange schon zuwider ist. Es gelingt ihm, wegen geschändcter
Frauenehre eincn Volksaufstand hervorzurufen und auch den hochnot-
peinlichen Prozeß setzt cr um so leichter durch, als der Stadtkommandeur
dcm hergclaufenen Herliberg so nicht grün ist. Anch die von Wicn
zum Gericht Beorderten können ihu nicht retten. Auf offenem Markt
schmählich hingerichtet, findet Herliberg im Schoß dcr mitleidigen Mar-
garet, die ihm längst verziehcn hat, eine letzte Sühnc und dcn Tod.
Mit allcn Mitteln reifer und bewußter Kunst sind die Gegensätze dieses
bewegten Stoffes auf die Spitze getrieben. Hcrlibcrg ist nicht nur ein
Leutnant schlechthin, sondern ehrenbedcckt, schön, anmutig, stattlich, auf
die Keuschheit dcr christlichen Armee stolz, kurz eine Ausnahmenatur
scltenster Art. Die arme Margaret, ein Kind aus dem Volke, hängt mit
überirdisch trcuer Liebc an dem hingerichteten Gatten und sciner Ketzer-
konfession. Sie ist engelrein, schön, ein Vorbild aller Mutter- und
Weibestugend. Der Ratsherr Zettl ist ein treuer Katholik — anch wäh-
rend der Ketzerherrschaft unbeugsam —, zugleich aber ein ehrenfester,
trotziger, leidenschaftlich gerechter Bürger voll allerstärkstcn menschlichen
Mitgefühls. And so geht es dnrch das ganze Buch. In gedrängten Szenen
(nur 392 kleine Seiten!) ist alles Menschliche unausgesetzt in höchster
Spannung und Entladung gegcben. Auf historischen Hintergrund, cpische
Brcite ist grundsätzlich soviel wie möglich verzichtet, irgendwelche geistigen
Motive spielen nicht mit. Wenigc werden sich dem dauernden Fortissimo
dieser Gefühlstönc entziehen können. Und da denn das Zcitliche, individuell
odcr historisch-dinglich Bedingte gar keine Störung vcrursacht, vielmchr
alles in das allerreinst Meuschliche aufgelöst ist, so hätten wir hier die
höchste Wahrscheinlichkeit ciner absoluten Dauer für ein Kunstwerk in
Romanform. Dem steht nun meines Erachtens abcr gerade die Abcr-
spannung des an sich gesunden und künstlcrischen Prinzips entgegen.
Mir wenigstens erschcinen die Gefühlsenergien dieser Erzählung so hoch
gespannt, daß sie, am wirklichen Lcben gcmessen, nicht nur Steigerung,
sondcrn bereits Aberspannnng bedcuten. Die Süße schlägt hie und da
in Süßlichkeit, die Liebe in weichliche Verzückung, das Heldentum in
2. Märzheft (9lO 279
mäßig einfach: Das Land Stcyr erlebte einen Aufstand der Protestanten,
nun aber sind die Katholiken, die Kaiserlichen Sieger gebliebcn. Die
Kctzerrebcllcn sind gerichtet; nur wcnige trohen noch, nntcr ihncn Mar-
garet, dic junge, schöne Witwe eines der Hingcrichtcten. Die regierenden
Militärs der Stadt lassen sie, die ein Kindlein wiegt, gewähren. Aber
dcr Statthalter schickt einen jungen Pappenheimer Reitcrlentnant —
einen wahren Mars an Kraft, Iugendstärke und Roheit — mit fünfund--
zwanzig Reitern, sie zu knranzen und zu bekehren, ihr ins Ouartier.
Ihr armcs Häusel, dcr geringe Wohlstand sind im Nu ruiniert, nichts
von dem Gefordcrten kann sie aufbringen; sie ist dcm Anheil verfallcn.
In nächtlichcr Stunde sucht dcr im übrigen nach Kriegsbegriffen ehren-
feste Leutnant Ernst von Herliberg sie zu vergewaltigcn. Im letzten
Augenblickc gemahnt ihn die hilflose Fran an seine vcrstorbene Mutter,
und die Vorstcllung von ihren blutig tränenden Augen schreckt dcn
Äbeltäter vom Außersten zurück. Mutter und Kind entfliehen in der
gefahrvollen Sturmnacht; halb schon dem Tod verfallen, werden sie von
cinem katholischcn Steyrer Ratsherrn gerettct, dem dic ganze Drang-
salicrung lange schon zuwider ist. Es gelingt ihm, wegen geschändcter
Frauenehre eincn Volksaufstand hervorzurufen und auch den hochnot-
peinlichen Prozeß setzt cr um so leichter durch, als der Stadtkommandeur
dcm hergclaufenen Herliberg so nicht grün ist. Anch die von Wicn
zum Gericht Beorderten können ihu nicht retten. Auf offenem Markt
schmählich hingerichtet, findet Herliberg im Schoß dcr mitleidigen Mar-
garet, die ihm längst verziehcn hat, eine letzte Sühnc und dcn Tod.
Mit allcn Mitteln reifer und bewußter Kunst sind die Gegensätze dieses
bewegten Stoffes auf die Spitze getrieben. Hcrlibcrg ist nicht nur ein
Leutnant schlechthin, sondern ehrenbedcckt, schön, anmutig, stattlich, auf
die Keuschheit dcr christlichen Armee stolz, kurz eine Ausnahmenatur
scltenster Art. Die arme Margaret, ein Kind aus dem Volke, hängt mit
überirdisch trcuer Liebc an dem hingerichteten Gatten und sciner Ketzer-
konfession. Sie ist engelrein, schön, ein Vorbild aller Mutter- und
Weibestugend. Der Ratsherr Zettl ist ein treuer Katholik — anch wäh-
rend der Ketzerherrschaft unbeugsam —, zugleich aber ein ehrenfester,
trotziger, leidenschaftlich gerechter Bürger voll allerstärkstcn menschlichen
Mitgefühls. And so geht es dnrch das ganze Buch. In gedrängten Szenen
(nur 392 kleine Seiten!) ist alles Menschliche unausgesetzt in höchster
Spannung und Entladung gegcben. Auf historischen Hintergrund, cpische
Brcite ist grundsätzlich soviel wie möglich verzichtet, irgendwelche geistigen
Motive spielen nicht mit. Wenigc werden sich dem dauernden Fortissimo
dieser Gefühlstönc entziehen können. Und da denn das Zcitliche, individuell
odcr historisch-dinglich Bedingte gar keine Störung vcrursacht, vielmchr
alles in das allerreinst Meuschliche aufgelöst ist, so hätten wir hier die
höchste Wahrscheinlichkeit ciner absoluten Dauer für ein Kunstwerk in
Romanform. Dem steht nun meines Erachtens abcr gerade die Abcr-
spannung des an sich gesunden und künstlcrischen Prinzips entgegen.
Mir wenigstens erschcinen die Gefühlsenergien dieser Erzählung so hoch
gespannt, daß sie, am wirklichen Lcben gcmessen, nicht nur Steigerung,
sondcrn bereits Aberspannnng bedcuten. Die Süße schlägt hie und da
in Süßlichkeit, die Liebe in weichliche Verzückung, das Heldentum in
2. Märzheft (9lO 279