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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,2.1910

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Heft 12 (2. Märzheft 1910)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9023#0519
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setzt. — Mögen unsrc Probcn meine Behauptung beglaubigen: die Arbeiter-
dilettantenausstellung ist viel zu wenig beachtet worden, weil man sie
viel zu sehr nnterm Gesichtswinkel von „Kunst" im gewohnten Sinne
betrachtet hat. Da sagte sie natnrlich nicht nur den Astheten, sondern anch
uns andern nicht viel. Wer aber das innere Leben des „vierten Stan-
des", wer unsre Arbeiter kennen lernen wollte, dem gab sie ungemein viel,
zumal sie aus Lausenden von Stücken schöpfte. Sie hat dem Geschwätz
vom „rohen Materialismus der Massen" gegenüber von einer Anter-
strömung an idealen Werten unwiderlegliches Zeugnis auch für dieses
Gebiet des menschlichen Innenlebens erbracht. Darum ist es schön, daß
wir gerade in unserm Osterheft von ihr sprechen und zeigen können. A
Die in den Text gedruckten Bilder dieses Heftes sollen auf ein schönes
Buch aufmerksam machen: „Das städtische Bürgerhans Nieder-
sachsens von Richard Scheibner, das bei Kühtmann in Dresden er-
schienen ist und sO Mark kostet. Auf dem Hügelland zwischen Eichsfeld,
Harz nnd Weser liegen die Städtchen Gandersheim, Einbeck und Dnder-
stadt, einst Ackerbürgerstädte, die ihre höchste Blüte im sö. Iahrhundert
erreichten, und mit denen es dann, besonders durch den Dreißigjährigen
Krieg, bergab ging. Abseits vom Hauptverkehr, bieten sie dem Kunst-
freunde und Kunstforscher noch viel erhalten, was anderswo zerstört ist,
und so konnte Scheibner gerade sie sehr gut zur Grundlage seines Werkes
nehmen. Als Motto hat er seinem Buch die Worte Stephanis vorgestellt:
„Das Haus ist im recht eigentlichen Sinne die Brunnenstube aller kultu-
rellen Entwicklung; das Haus in seinen Uranfängen und in seiner immer
wechselnden Gestalt kennen lernen, heißt an die Schwelle aller Gesittung
treten und ihren Werdegang gleichsam an der Quelle verfolgen." Dieser
Gedanke lebt in dem ganzen Werk und gibt ihm auch für unsre Kreise
seinen besondern Reiz und Wert. Die schönen Zeichnungen, die wir als
Probe bringen, mögen im übrigen selber sprechen. Wir geben mit Ab-
sicht nicht Beispiele mit besonders reichem Schmuck, sondern solche von
besonders schöner Gestaltung. „Die Liebe" sieht man an allen. Das
schmale Häuschen aus Duderstadt mit seiner geschmackvollen, einfach-natür-
lichen Gliederung, die stattliche Fassadc aus Einbeck, die noch stattlicher
war, ehe der Lrkcr nachträglich angesetzt wurde, von welch intimem Bau-
gestalten zeugt da alles — ein Grauen könnte einen fassen, wenn man
darnach modische Reißbretthäuser ansieht! Die Durchfahrt aus Linbeck
zeigt dann wieder, welch malerischc und bis ans Monumentale kraftvollen
Eindrücke entstanden, wo unsre Altvordern simpel praktisch und ohne
das geringste Ornament, aber freilich auch ohne jede Verschleierung und
Verwitzelung der tragenden Kräfte bauten.

(?vas Bruchstück aus der „Deutschcn Messe" von Otto Taub-
-!^m a n n, das wir mit Genehmigung des Verlags von Breitkopf L Härtel
bringen, ist dem sechsten Teil des Werkes entnommen, der mit einem
längeren Orchestervorspiel in C-Moll beginnt. Er nimmt die Stelle ein,
an der wir sonst das ksnsäickus findcn, von dessen typischem Charakter
er auch musikalisch beeinflußt ist. Zugleich hat er rückschauende Bedeutung
für das der ganzen Messe voraufgestellte Motto: „Des Herren Augen
schauen alle Lande, daß er stärke die, so von ganzem Herzen an ihm sind."
(Lhronika II, Kapitel (6, Vers 9.) Ieder Teil versucht auf besondere Weise
eine Auslegung dieses Satzes, und hier haben wir an die Worte, „daß

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