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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 18
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0481
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zellenz, den mein hochseliger Herr
Großvater das Muster und Vor--
bild aller militärischen Tugenden
eines preußischen Soldaten zn nen-
nen geruhten, für uns die Ver--
körperung der Lichtgestalt sind, die
mit dem verstorbenen Kaiser dahin-
gegangen ist."

„Der Herr Oberpräsident hat
gütigerweise unsrer Reise nach Pa-
lästina gedacht und der dort von
mir vollzogenen Tatsachen. Fch
kann wohl sagen, daß manche und
vielseitige Eindrücke erhebender
Natnr an meinem Auge vorüber-
gegangen sind, teils religiöser, teils
historischer Art, teils auch ans dem
modernen Leben. Aber von allen
Eindrücken der erhabenste nnd er-
greifendste war doch, nächst unsrer
Feier in unsrer Kirche, der, auf
dem Slberg zu stehen und die
Stätte zu sehen am Fuße dessel-
ben, wo der gewaltigste Kampf,
der je auf der Erde ausgefoch-
ten worden ist, der Kampf um
die Erlösung der Menschheit, von
dem einen ausgefochten wurde.
Diese Tatsache hat mich dazu be-
wogen, an dem Tage gewissermaßen
noch von neuem mir den Fahnen-
eid zu schwören nach oben, nichts
unversucht zu lassen, um mein
Volk in sich zu einigen und das,
was es trennen könnte, zu beseiti-
gen."

„Es ist ja ein herrliches Begin-
nen, für alle Völker den Frieden
herbeiführen zu wolleu; aber es
wird ein Fehler bei den ganzen
Nechnungen angestellt. Solange in
der Menschheit die unerlöste Sünde
herrscht, solange wird es Krieg und
Haß, Neid und Zwietracht geben
und solange wird ein Mensch ver-
suchen den anderen zu übervortei-
len; was aber unter den Menschen,
das ist auch unter den Völkern Ge-
setz. Deswegen wollen wir trach-
ten, daß wir Germanen wenigstens

zusammenhalten, wie ein fester
Block! An diesem „lloeker äs
drones" des deutschen Volkes
draußen weit über die Meere
und bei uns zu Haus in Europa
möge sich jede den Frieden be-
dräuende Welle brechen."

Es gibt bekanntlich zahllose und
auch zahllose sonst sehr begabte
Menschen, die nicht dic Gabe der
freien Rede haben. Sind diese
dennoch gezwungen, öffentlich zu
sprechen, so Pflegt der Wortlaut
erst nach einer Korrektur des
Stenogramms gedruckt zu wer-
den. Daß dies überhaupt nicht
oder doch nicht sorgfältig genug
mit den Redcn des Kaisers ge-
schieht, das ist sicherlich znm Ver-
wundern. In der Feststellung
aber, daß irgendein Monarch die
Sprache aus dem Stegreif nicht
beHerrsche, liegt natürlich ebenso-
wenig eine „Beleidigung" wie in
der Bemerkung, er sei kein Kunst-
kenner oder er verstehe nichts von
Astronomie. Ich hätte sicherlich
niemals Anlaß gcnommen, die
stilistischen Eigentümlichkeiten Kai-
ser Wilhelms auch uur zu erwäh-
nen, wenn nicht das hervorragend
verständnislose oder bhzantinische
Ilrteil weiter Volkskreise Wider-
spruch herausfordertc. Wie lächer-
lich wär's gewesen, hätte das bay-
rische Volk seinerzeit den König
Ludwig I. als unsterblichen sprach-
gewaltigen Dichter gepriesen, weil
er sonst um sein Volk Verdienste
genug hatte! Sollten sich be-
geisterungsfreudige Deutsche nicht
lieber solche Seiten der kaiserlichen
Betätigung zur Verherrlichung
aussnchen, in denen er nicht gc-
rade dem Menschlichen seinen
Tribut zollt? K. O. Erdmann

Eben, da dieser Aufsatz schon ge-
setzt ist, kommen wie zur Bestäti-
gung der Erdmanuschen Besorgnisse

S90

Kunstwart XXIV, s8
 
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