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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 24,3.1911

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Heft 18
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9032#0483
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Eifersucht Menschikoffs in lodern-
der Flamme hervorbrechen, als
Katharina die Annäherung eines
französischen Grafen zu dulden
scheint, und den neuen Rivalen ins
Ienseits befördern; man sieht, wie
die verwitwete Zaritza gleich am
Todestage des Zaren sich in jähem
Iubel wieder mit dem Geliebten
vereinigt, und endlich, wie sie zwei
Iahre später, körperlich gebrochen
und wntkibeduselt, in den Armen
des gleichfalls betrunkenen Men-
schikoff verscheidet. Bei der Dar-
stellung und seelischen Durchleuch-
tung dieser Auftritte kam es Dau-
thendeh vor allem wohl darauf
an, zu zeigen, wie die scheinbar
so widerspruchsvoll wechselnden
„Spielereien" Katharinas tatsäch-
lich doch nur aus der einen starken
Leidenschaft für Menschikoff ent-
springen. Mit voll überzeugender
Klarheit ist ihm das freilich nicht
gelungen. Namentlich nicht, weil
er auch eine allgemeinere Herrsch-
sucht in seiner Schilderung der
Katharina deutlich hervorhob, die
mit dem reinerotischen Trieb des
öftern zu konkurrieren scheint.
Iedenfalls hat er aber das Bild
eines in jähen Impulsen sich
äußernden Elemcntarweibs mit re-
spektablem Nuancenreichtum ge-
geben und damit virtuosen Schau-
spielerinnen eine nene Parade-
rolle jener bewährten Gattnng
geliefert, die alle Register zu ziehen
erlaubt. Wesentlich einhcitlicher
und überzeugender ist ihm aller-
dings die Kennzeichnung Menschi-
koffs und des Zaren gelungen.
Eine scharfe Prüfung auf geschicht-
liche Möglichkeit vertrüge seine
Bilderrcihe wohl ebensowenig wie
die in fröhlicher Ungebundenheit
wuchernden Verse des Dialogs eine
auf kunstgerechte Metrik und un-
fehlbar guten Geschmack; allein die
große subjektive Lebhaftigkeit dcs

Lhrikers Dauthendeh und seine oft
auch im besten Sinne naive Selbst-
sicherheit wirken auch hier immer
wieder so erfrischend und suggestiv,
daß selbst einem verwöhnteren
Publiküm im Augenblick des
Miterlebens kanm ernstliche Zwei-
fel in jenen Richtungen kom-
men können. Zwei andere Be-
denken wird dagegen auch die
suggestivste Darstellung schwerlich
verhüten können: daß eine epische
Reihe von Bildern, die nur die
Gipfelmomente einer langen Lebens-
entwicklung gibt, niemals die stär-
ker ergreifenden besonderen Wir-
kungen eines in sich geschlossenen
dramatischen Kunstwerks erzielen
kann; und daß sie, wenn sie wie
hier auf heftigste Entladungen der
Liebesleidenschaften beschränkt bleibt,
schließlich das Interesse ermüden
muß. Wie alles, was gegen das
oberste aller ästhetischen Gesetze ver-
stößt: „variatio äelsetLt".

Zwei Tage vorher bot das
Münchner Volkstheater, mit Frau
Renier in der weiblichen tzaupt-
rolle und gleichfalls mit Erfolg,
die dentsche Uraufführung des drei-
aktigen Dramas „Wirbelwinde"
(Bufere) von Sabatino Lopez,
dessen Abertragung Pietro
Stoppani besorgt hat. Ein
sentimentales Ehebruchsstück spezi-
fisch romanischer Färbung, das
zwar im ganzen nur mit bewährten
Theaterschablonen arbcitet, im ein-
zelnen aber anch kräftige Anläufe
zn ciner seelischen Vertiefung in
elementar - weibliche Liebesgüte
nimmt. Man bedauert herzlich,
diese Vertiefung nicht über jene
typisch-pathetische Gestaltung hin-
aus glücken zu sehen, die der
romanischen Kunst fast immer un-
überwindbar bleibt. Ein sardini-
scher Provinzstudent hat, nach völ-
liger Hingabe an sein Studium in
Palermo zum gefeierten Professor

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