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Kunstwart und Kulturwart — 32,4.1919

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1919)
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Nidden, Ezard: Neuere skandinavische Erzählungen, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.14424#0172

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Iohan Bojer, dessen „Ullser Neich" viele lieben, erschien cin nener
^^Roman „Das große Sehnen". Er hebt prächtig an: die Lebensgeschichte eines
tüchtigen Burschen, der sich aus ärmster Armut emporgearbeitet zum großen
Ingenieur; der Aufstieg wird knapp, klar, mit herzlicher Teilnahme, in reinster
Sprache erzählt. Dann mischt sich in den weiteren Lebensbericht, der ein Durch-
schnitt-Schicksal wiedergibt, leider ein virtuosisches Element, eine allzu auf-
fällige Geschicklichkeit in der Auswahl der Auftritte und der knappen Wieder-
gabe einzelner Züge; der tiefere Klang bleibt aus, wir erfahren allerlei, werden
manchmal berührt von sehr „feinen" Zügen und Anspielungen, aber es zwingt
uns nichts mehr zum Miterleben. Iuletzt geht das Buch in eine verschwommene,
rosenrötliche, recht flache Religionsphilosophie über, die gar unerträglich ist. —
Auch Peter Egges „Aus jungen Tagen", die Geschichte eines einsamen
Musikers, enttäuscht etwas. Lgge gehört zu den Zarten und Reinen des Nordens,
und auch dieser Roman ist durch und durch echt, nirgends literatenhaft. Die Haupt-
begebenheit — wie Iohn Holm ein starkes und tüchtiges Mädchen gewinntz
sie aber mit all seiner Zartheit und Wirrheit nicht an sich fesseln kann und
schließlich mit ihrer Schwester vorlieb nimmt — wird durchsichtig und an-
schaulich. Aber die quellende Fülle fehlt all diesen Gestalten. Blaß bleibt
vieles Einzelne und das Ganze gewinnt unser Tiefstes nicht. — Henrik Pon-
toppidans „Spuk" sei nur kurz angeführt. Eine kleine, klug geführte Er°
zählung von einem armen Mädchen, das zuletzt nach viel Qual und Spannung
seinen Grafen zum Manne bekommt. Das wird jungen Leserinnen große Freude
machen, und es ist übrigens nicht nur virtuos oder nur familienblatthast
erzählt, sondern teilweise recht stimmungvoll und auch packend. — Laurids
Bruun, der Tröster vieler Kulturhasser, der muntere Erzähler von Van
Zaantens Erlebnissen auf seliger Südseeinsel, überrascht gewiß so manchen Leser
mit dem Roman „Aus dem Geschlecht der Byge". Das ist nun ein Buch
von echtem Gewicht, von Manchen Graden. Der junge Bhge, dessen Wachsen,
Werden, Unterliegen und endliches Siegen wir mit ansehen, durchschreitet wohl
alle Schicksale eincs Heutigen. Schwerer Aufstieg, Demütigung, vorübergehendes
Sichverlieren bleiben ihm nicht erspart. Aber dann kommt das Glück: Staats-
beamter, eine strahlend schöne junge Frau, ein Mächtiger Geheimrat als Schwieger-
vater, „Carrisre"! Alles steht Vyge offen. Und alles stürzt zusammen, da er es
nicht über sich gewinnt, an der stillen, unauffälligen Schieberei und Schurkerei
der verrottetcn herrschenden Schicht teilzunehmen. Ganz vereinsamt, taucht
er auf den Grund des Lebens, in Hunger nnd Armut, nieder, von den Herrschen-
den zielbewußt und zielsicher verfolgt und verfemt. Aber ist er nicht ein
Sohn des alten, starken, aufrechten Bygegeschlechts? Wohl, es gilt ein paar
Iahre auslöschen als Persönlichkcit, Hausdiener, Kellner und allerlei werden,
sparen, hungern. Aber dann geht der Weg wieder aufwärts. Langsam werden
die Kommenden rings im Land auf ihn aufmerksam, auf diesen 'Unbestechlichen,
Sachlichcn, Wollend-Könnenden. Und wie er zur Macht kommt, gewährt ihm
das Schicksal nun auch älteres, tiefer im eigentlichen Kern des Wesens ver-
ankertes Glück. „Ich habe meine Schiffe verbrannt", sagte er vor sich hin,
„aber ich habe mir neue gebaut." And wir glauben es, daß sie ihn stark und
unerschüttert bis zum Ende tragcn. Kluges, reifes Können hat diesen Roman
gestaltet, reiches Wesen ihn befruchtet, eine ganze Lebensordnung, klar umrissen
und ohne Aberhebnng gerichtet, bildet den Hintergrund.

^-ie werden wir von Vcrner von Heidenstam zu viel übersetzt bckommen.

-^»-Der kleine Band „Der Wald rauscht" bringt gewiß nichts von seinem Be-
deutendsten; einige stimmungvolle Erzählungen aus der schwedischen Sagenwelt,
ein paar geschichtliche Skizzen und dazu jene Erzählung „Herakles", in welcher
antike Sage, nordische Phantasie und „naturgeschichtlicher" Humor eine nicht
eben vollkommene Bindung eingehen. Aber mag dies alles auch dünne Stellen
haben und zum Teil uns ferner liegen — Geist und Seele eines echten und
bedeutenden Dichters flamnien und glühen doch wiederum an mehr als einer
Stclle darin auf. In die kleine Erzählung von dem Sänger Lucidor Lasse,

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