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Krüger, Thomas [Hrsg.]; Stephan, Hans-Georg [Hrsg.]; Korbel, Günther [Bearb.]; Korbel, Günther [Bearb.]; Raddatz, Klaus [Bearb.]; Raddatz, Klaus [Gefeierte Pers.]
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 16): Beiträge zur Archäologie Nordwestdeutschlands und Mitteleuropas — Hildesheim: Verlag August Lax, 1980

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.65795#0333
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ten zwar in Frauen- wie Männergräbern gleichermaßen auf, sind jedoch in Frauengräbern be-
sonders häufig und werden anscheinend auch nur Frauen unmittelbar in Körpernähe (häufig
unter eine der Schultern) gelegt. Ganz besonders typische Kennzeichen weiblicher Bestattun-
gen sind Spinnwirtel und Spindeln in teils kostbaren Ausführungen, weiterhin Stücke von
Schminke (rot, schwarz, weiß) und weiteres Toilettezubehör. Die Bestimmung der Frauen-
gräber mit Waffen kann daher inzwischen sowohl auf der Grundlage anthropologischer wie
archäologischer Kriterien vorgenommen und abgesichert werden.
Die schriftlichen Quellen verbinden die Amazonen des Nordschwarzmeerraumes mit Sauro-
matien, und in der Tat ist die Zahl von Gräbern bewaffneter Frauen bisher im unteren Wol-
gagebiet höher als im skythischen Bereich. Nach Berechnungen von SMIRNOV (1964, 201)
entfallen von den Gräbern mit Waffen und Pferdegeschirr des sauromatischen Gebiets ca.
20 % auf Frauen. An Waffen kommen jedoch zumeist nur Pfeile bzw. Köcher vor, allerdings
ist dem hinzuzufügen, daß die Erhaltungsbedingungen für Bögen allgemein so schlecht sind,
daß wir über die Bogenwaffe der damaligen Zeit aufgrund des rein archäologischen Materials
so gut wie nichts aussagen können. Dies betrifft alle Gräber. Es dürfte daher wohl für die
Frauengräber anzunehmen sein, daß, wie bei den Männergräbern, wo manchmal bogenför-
mige Verfärbungen bei den Köchern beobachtet wurden, Köcher und Bogen als funktions-
tüchtiger Komplex niedergelegt waren. Neben dieser Grundausstattung von Pfeil und Bogen
begegnen aber auch im sauromatischen Gebiet Zusatzwaffen, wie etwa Schwerter. Dies ent-
spricht genau der allgemeinen Situation, da im sauromatischen Bereich, im Unterschied zum
skythischen, das Schwert nach Pfeil und Bogen an zweiter Stelle in der Waffenhäufigkeit
steht. Im westlicheren skythischen Gebiet haben wir dagegen an zweiter Stelle Lanzen
und/bzw. Wurfspieße zu verzeichnen. Dies spiegelt sich auch in den Gräbern der „Amazo-
nen”. Östlich des Wolga- und Uralgebiets nimmt die Zahl der Frauengräber mit Waffen
deutlich ab. Jedoch erwähnt KISELEV (1951, 227) ihr Vorkommen im Bereich der frühen
Tagar-Kultur Sibiriens.
Archäologische Befunde von Frauenskeletten mit Waffen aus Transkaukasien zeigen, daß
auch dort mit ähnlichen Gräbern gerechnet werden muß, die bereits ans Ende des 2. vor-
christlichen Jahrtausends gehören. Im Jahre 1927 wurde in Semoawtschala (Grusinien) durch
NIORADZE (1931) eine „Amazonenbestattung” freigelegt. Das Grab, eine fast runde Grube
von 1,40 m Durchmesser auf nurmehr 0,65 m Tiefe, hatte einen mit Kieselsteinen ausgelegten
Boden und ursprünglich eine hölzerne Überdeckung. Die Tote war allem Anschein nach in
sitzender Haltung, mit hochgezogenen Knien, den Rücken gegen die Hinterwand des Grabes
gelehnt, bestattet worden (Abb. 1). Zu ihren Beigaben gehören ein Kurzschwert, das auf den
Knien ruhte, eine Lanzenspitze, die an der rechten Seite gefunden wurde und ein Eisenmesser
oder -dolch, der vor der Toten auf zwei kleinen Steinen lag. Unter der Lanzenspitze wurde
der Unterkiefer eines Pferdes freigelegt. Zwei Armringe am linken Unterarm, fünf Fingerrin-
ge aus dünnem Bronzedraht, eine Ahle von 10 cm Länge, viele Perlen und zwei Tongefäße so-
wie Reste undefinierbarer Eisengeräte bilden die sonstige Ausstattung. Die anthropologische
Bearbeitung ergab, daß es sich um das Skelett einer ca. 1,47 m großen Frau von etwa 30—40
Jahren handelt. An der linken Schädelseite ist eine schwere Verletzung von 28 mm Länge und
7 mm Breite zu erkennen, deren Ränder vor dem Tode begonnen hatten auszuwachsen. Die
Verletzte hatte also noch einige Zeit nach ihrer Verwundung gelebt. Der Ausgräber betont,
daß es sich um keine Trepanation, sondern um die Folge eines Schlages oder Stiches, hervor-
gerufen durch Speerspitze, Stein oder ähnliches handeln müsse.
Man könnte zunächst vermuten, daß die Waffen in Frauengräber nur aus rituellen Gründen
mitgegeben wurden, somit von den Bestatteten zu Lebzeiten nicht zu Jagd- oder Kampf-
zwecken genutzt worden sind. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie die Frauenskelette mit deutli-
chen Verwundungsspuren belegen. Der erwähnte Befund von Semoawtschala ist durchaus

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