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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 22.1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.33076#0010

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Bremen

Im November 1978 hat das ehrwürdige Bremer ,,Alte Gymnasium“, an dem neben be-
kannten Zeitgenossen wie Frau H. Heinemann und Prof. K. Carstens z. B. auch R. A.
Schröder sein Abitur gemacht hat, sein 450jähriges Bestehen gefeiert. Weil der bevorstehende
Exitus dieses Gymnasium illustre, das lange Zeit sogar Hochschule war, exemplarisch ist
für die Art, wie auf dem „Reformweg“ bewährte und leistungsfähige Institutionen in aller
Stille beerdigt werden, soll die Sache hier etwas ausführlicher zu Wort kommen. Übrigens
ist, nach einer Notiz des Weserkuriers vom 11./12. November 1978, das Schulgelände des
Alten Gymnasiums bereits für künftige Justizgebäude verplant.
Mit einem Festakt, zu dem als ehemalige Schüler unter anderem Hilda Heine-
mann, die Witwe des früheren Bundespräsidenten, sowie Bundestagspräsident
Professor Karl Carstens erschienen waren, feierte Bremen am 17. 11. 1978 das
450jährige Bestehen des humanistischen „Alten Gymnasiums“. So oft aber in
den Festansprachen von der großen Tradition die Rede war — tatsächlich ging
es meist um die Gegenwart und den aktuellen Streit um Schulreform und hu-
manistische Bildung. Kaum verbrämt warf Schulleiter Dr. Klaus-Dietrich Koch
der regierenden SPD vor, das gewaltsame „Ableben“ des Jubilars zum Ziel zu
haben, während Bildungssenator Moritz Thape diese Behauptung als „falsch“
zurückwies und die Humanisten vor der Gefahr der „Selbstüberhebung“ warnte.
Nur dann könne — sein Wunsch jedenfalls sei es - auch weiterhin ihre Art der
Bildung in Bremen gedeihen, wenn sie „nicht lediglich selbstbestätigend rück-
wärts“ blickten.
Begonnen, so war Thapes Worten zu entnehmen, habe die „Überheblichkeit“
schon bei Aristoteles und Euripides, die nur die Griechen und eigentlich nur die
Athener als „geschaffen für Freiheit und Bildung“ angesehen hätten. Und aus
einer Schrift des „Prima-Vereins“ des Alten Gymnasiums aus dem Jahre 1830
zitierte der Senator den Satz vom deutschen Volk als dem „cultiviertesten des
Erdbodens“. Thape: „Lassen Sie uns miteinander den verhängnisvollen Tradi-
tionen abschwören, die uns isolieren, indem wir uns gegenüber anderen Men-
schen und Menschengruppen erheben - national oder sozial und geistig.“ Glück-
licherweise habe die humanistische Bildungstradition zugleich das Heilmittel für
Absonderung hervorgebracht: Ständige kritische Selbstprüfung.
gebende Sprachen gehen vor“
Ratsam sei auch, so Thape, beim Forschenin Traditionen einmal größere Sprünge
rückwärts zu machen. Da stoße man zum Beispiel im Jahre 1637 auf den gro-
ßen europäischen Pädagogen und Philosophen Arnos Comenius, der die Mei-
nung vertreten habe, daß die „lebenden Sprachen den gelehrten vorausgehen“
müßten. Mit seinen gelehrten Sprachen, so machte Thape klar, sei das Alte
Gymnasium in den letzten Jahren wiederholt in schwierige Situationen gekom-
men. Vor sieben Jahren zum Beispiel habe es in ganz Bremen nur noch 13
Schüler gegeben, die in Klasse 5 Latein wählten. Damals habe er das Gymnasi-
um durch die besondere Maßnahme gestützt, Englisch parallel anzubieten. 1978,

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