schwer durchschaubaren Buchstabenfolgen beim englischen Wortschatz wird
ihn vielleicht sogar frustrieren, insbesondere wenn er schon im Deutschen
Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung hat. Latein kann für den Anfänger je-
doch eine faszinierende Expedition ins Unbekannte sein. Er kann sich, zunächst
durchaus spielerisch und kindgemäß, mit neuen sprachlichen Strukturen aus-
einandersetzen und dabei Einblicke in bisher unbekannte kulturelle und ge-
schichtliche Bereiche bekommen, für die Kinder in diesem Alter erstaunlich
aufgeschlossen sind. Er wird geistig gefordert, was er vom Gymnasium erwartet,
ohne überfordert zu werden. Dadurch kann jugendpsychologisch gesehen eine
fruchtbare Motivation und Spannung entstehen, wie sie im englischen Anfangs-
unterricht ausgeschlossen sind.
Voraussetzung dafür sind allerdings der Einsatz von neu konzipierten Lehr-
büchern (die es seit einigen Jahren gibt und die nichts mehr mit den früheren
Drillbüchern zu tun haben) und das überdurchschnittliche Engagement von me-
thodisch geschickten Lehrern (auch hieran ist kein Mangel, da die Lateinlehrer
wissen, daß von der Attraktivität ihres Faches seine Zukunft abhängt).
Für Latein als 1. Fremdsprache spricht noch ein weiteres jugendpsycholo-
gisches Argument. Lernbereitschaft und Lernfähigkeit sind im Alter zwischen
10 und 12 Jahren besonders groß. Etwa ab der 7. Klasse lassen diese Fähigkei-
ten nach. In diesem Alter kann Englisch mit seinen zunächst geringeren Anfor-
derungen gerade zum richtigen Zeitpunkt sinnvoll als 2. Fremdsprache ein-
setzen.
Meine eigenen eingangs erwähnten Erfahrungen haben mich von der Überle-
genheit von Latein im Anfangsunterricht überzeugt. Obwohl ich als Neuphilo-
loge wie Professor Raith an der Förderung der modernen Fremdsprachen inter-
essiert bin, kann ich seinen Ausführungen in dem zur Diskussion stehenden
Punkt daher leider nicht zustimmen.
Ernst Pilz, Oberstudiendirektor
Birkenberg 4
8490 Cham Süddt. Ztg. 7./8. 10. 1978
Länder
Berlin
Wahlaussage der FDP für 1979: Chance für die Gesamtschule
Im Schulbereich wird verlangt, daß in der Mittelstufe (Klasse 7 bis 10) die Ge-
samtschule „durch eine weitere Konsolidiemng eine echte Chance“ erhalte.
Langfristig solle sie das dreigliedrige Schulsystem durch ein breitgefächertes Bil-
dungsangebot ersetzen, wird verlangt.
(aus: Tagesspiegel)
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ihn vielleicht sogar frustrieren, insbesondere wenn er schon im Deutschen
Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung hat. Latein kann für den Anfänger je-
doch eine faszinierende Expedition ins Unbekannte sein. Er kann sich, zunächst
durchaus spielerisch und kindgemäß, mit neuen sprachlichen Strukturen aus-
einandersetzen und dabei Einblicke in bisher unbekannte kulturelle und ge-
schichtliche Bereiche bekommen, für die Kinder in diesem Alter erstaunlich
aufgeschlossen sind. Er wird geistig gefordert, was er vom Gymnasium erwartet,
ohne überfordert zu werden. Dadurch kann jugendpsychologisch gesehen eine
fruchtbare Motivation und Spannung entstehen, wie sie im englischen Anfangs-
unterricht ausgeschlossen sind.
Voraussetzung dafür sind allerdings der Einsatz von neu konzipierten Lehr-
büchern (die es seit einigen Jahren gibt und die nichts mehr mit den früheren
Drillbüchern zu tun haben) und das überdurchschnittliche Engagement von me-
thodisch geschickten Lehrern (auch hieran ist kein Mangel, da die Lateinlehrer
wissen, daß von der Attraktivität ihres Faches seine Zukunft abhängt).
Für Latein als 1. Fremdsprache spricht noch ein weiteres jugendpsycholo-
gisches Argument. Lernbereitschaft und Lernfähigkeit sind im Alter zwischen
10 und 12 Jahren besonders groß. Etwa ab der 7. Klasse lassen diese Fähigkei-
ten nach. In diesem Alter kann Englisch mit seinen zunächst geringeren Anfor-
derungen gerade zum richtigen Zeitpunkt sinnvoll als 2. Fremdsprache ein-
setzen.
Meine eigenen eingangs erwähnten Erfahrungen haben mich von der Überle-
genheit von Latein im Anfangsunterricht überzeugt. Obwohl ich als Neuphilo-
loge wie Professor Raith an der Förderung der modernen Fremdsprachen inter-
essiert bin, kann ich seinen Ausführungen in dem zur Diskussion stehenden
Punkt daher leider nicht zustimmen.
Ernst Pilz, Oberstudiendirektor
Birkenberg 4
8490 Cham Süddt. Ztg. 7./8. 10. 1978
Länder
Berlin
Wahlaussage der FDP für 1979: Chance für die Gesamtschule
Im Schulbereich wird verlangt, daß in der Mittelstufe (Klasse 7 bis 10) die Ge-
samtschule „durch eine weitere Konsolidiemng eine echte Chance“ erhalte.
Langfristig solle sie das dreigliedrige Schulsystem durch ein breitgefächertes Bil-
dungsangebot ersetzen, wird verlangt.
(aus: Tagesspiegel)
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