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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 29.1986

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Nr. 3
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Aufsätze
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Glücklich, Hans-Joachim; Maier, Friedrich; Fritsch, Andreas: Fachdidaktik Latein und Griechisch an der Universität
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https://doi.org/10.11588/diglit.35877#0082

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5. Fachdidaktik Latein und Griechisch an den Studienseminaren

(1) Studienseminare sind keine Forschungseinrichtungen. Der derzeitige Zustand, daß es auch an
den Universitäten innerhalb des Faches Klassische Philologie kaum Forschungsmöglichkeiten,
geschweige denn Forschungseinrichtungen zur altsprachlichen Fachdidaktik gibt, ist unbefriedi-
gend und für den Bestand des Faches insgesamt gefährlich.
(2) Die Vertretung der Fachdidaktik und die Neuorientierung des Unterrichts erfolgte in den sieb-
ziger Jahren vorwiegend durch Didaktiker und didaktisch Interessierte an den Studienseminaren
und Gymnasien. Es ist nicht sicher und nicht zu erwarten, daß bei einer erneuten Gefährdung der
Schulfächer Latein und Griechisch der Vorgang wiederholbar ist und die praxisorientierten Kolle-
gen an Seminar und Gymnasium e$ dann mit einer weitentwickelten und forschungsintensiven
Didaktik anderer - insbesondere sprachlicher - Fächer aufnehmen können, von ihrer mangeln-
den Vertretung in entscheidenden Gremien einmal abgesehen.
(3) Insbesondere Referendare haben nach der Neuorientierung der Fächer an den Gymnasien
Schwierigkeiten, sich auf diese einzustellen. Ihre Ausbildung kann nach einer Umorientierung
auf die Bedürfnisse der Schüler und die Anforderungen ihres künftigen Berufs nicht - wie dies in
älteren Didaktiken und Methodiken dargestellt wird - rasch zur Methodik des Unterrichtens un-
ter starker Reflexion der Determinanten Fach, Gesellschaft und Schüler übergehen und sodann
die Gestaltung des Grammatik- und des Lektüreunterrichts besprechen, sondern muß heute oft
erst sehr viel Grundlagenwissen vermitteln:
Dependenz-, Transformations- und Textgrammatik
— Kenntnisse der Aussprache, der Quantitäten und der Prosodie
— kritische Distanz von veralteten Übersetzungen lateinischer Wörter (z.B. carere ,ermangeln'
statt ,nicht haben') und grammatischer Strukturen (z.B. gaudio esse ,zur Freude gereichen'
statt ,Freude machen'), ebenso von in der Fachwissenschaft tief verwurzelten nachlässigen
Ausdrucksweisen (z.B. steter Artikelgebrauch bei Eigennamen: ,Triumphzug des Scipio' statt
,Scipios Triumphzug')
— Kenntnisse anderer Interpretationsmethoden als der philologisch-historischen (die zwar
grundlegend auch für den Unterricht ist, aber oft den Zeitbezug und das Schülerinteresse
nicht berücksichtigt, somit keinen inhaltsbezogenen ,Unterrichtseinstieg' ermöglicht)
— Kenntnis der Rezeption eines Werkes
— Kenntnis der Weiterentwicklung der in den Texten dargestellten Gegenstände und Fachbe-
reiche.
Nur so ist ein Unterricht möglich, der begründet ist und auf einer didaktischen Analyse nicht nur
der fachlichen Voraussetzungen, sondern auch der Schülerkenntnisse und -wünsche (-interes-
sen) beruht. Nur so kann der Lehrer aus der Übersicht heraus Sinn vermitteln, Sinnbezüge her-
steilen und gegenwartsnahen Unterricht gerade aus der Beschäftigung mit Texten der Vergangen-
heit heraus halten.
(4) Würde die Fachdidaktik die genannten Bereiche an der Universität berücksichtigen, könnte
sie am Studienseminar diese als bekannt voraussetzen und sich wieder stärker auf die Vermitt-
lung, auf die Verbindung mit der Pädagogik und auf die vielfältigen Mögiicbkeiten konzentrieren,
das Fach in derÖffentiicbkeit (Elternabende, Schulfeste und andere Veranstaltungen, Theaterauf-
führungen, Ausstellungen, schriftliche Dokumentation der Schülerarbeit) darzusteiien.
(5) Die Aufgabenbereiche der Facbdidaktik am Studiensemmar könnten dann vor allem die fol-
genden sein:
(a) im Bereich der Grammatik;
— Aufbau und Lernbarkeit der Grammatik
— Ökonomie der Vermittlung
— Lehrbücher
— Kursformen

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