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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0043

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2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

auf, wie die Kirche repräsentiert werde, durch den Papst oder durch das Kon-
zil.
Als erste der drei Leistungen beschreibt Podlech die Vorstellung, dass
menschliche Verbände (etwa eines Klosters oder einer Stadtgemeinde, der Ge-
samtkirche oder des Reichs) als rechtlich handelnde Körperschaften - tutztvrsz-
Mes - gedacht wurden, die man in Analogie zur Einzelperson, der persona uera,
nun als persona repraesenfafa oder jowsotitz jzchz et repraesentahr' bezeichnete. Zum
zweiten musste die Handlungsfähigkeit einer tuizuerszüts dadurch sichergestellt
werden, dass sie durch eine menschliche Person vertreten werden konnte. Re-
praesetiMzo wurde also im zweiten Sinn als Stell Vertreter schaft eines legitimier-
ten Prokurators verstanden, wie sie auch in der Umschreibung des Johannes
von Segovia im Verhältnis von Rat und Stadtgemeinde zum Ausdruck kommt.
Den dritten gedanklichen Schritt aber, den Podlech in der Formulierung ro-
pTTsetiLzczo z&mphfahs zumindest angedeutet sehen will, definiert er mit den
folgenden Worten, die sozialwissenschaftlichen Begriftsbestimmungen der
»kollektiven Identität« ähneln: »Die dritte zu erbringende Leistung war die
gedankliche Erfassung einer sich durch die Zeit erstreckenden und aus vielen
Individuen bestehenden Körperschaft.«^
Schauen wir uns jedoch an, in welchem Argumentationszusammenhang
und mit welcher Intention Johannes von Segovia die rcpmsctzfziczo zdomphfahs
in seinem Text anführt. Als letztes Glied einer langen Kette von Begründungen
setzt er sie nämlich zur Klärung der Frage ein, wer als prz?iczpa?is die Herr-
schaft über die oedosza Mzzzoorsa/zs ausüben dürfet Bedeutsam war der Begriff
der rcpmsctzfziczo zdozzzpfzMzs für den spätmittelalterlichen Rechtsgelehrten also
nur, weil er die legitime Stellvertreterschaft der von ihm vertretenen konzilia-
ristischen Partei zu begründen erlaubte. Der Argumentationszusammenhang,
in dem er den Begriff gebrauchte, lässt sich verallgemeinern: Die spätmittel-
alterliche Repräsentationslehre suchte die Regeln und Verfahren festzulegen,
durch die ein konsensfähiger Stellvertreter einer MZizArszYas bestimmt werden
konntet Durch sie war man auf der Suche nach der repräsentationserzeugen-

3 Johannes Monachus, Glossa aurea ... super sexto decretalium c.5 VI° 5,11 n. 8, Paris 1535, zit.
nach PoDLECH, 1984, S. 511; Panormitanus, Commentaria in quartum et quintum decretalium
librum c. 30 X 5,3 n. 11, Venedig 1578, fol. 98v, zit. nach PoDLECH, 1984, S. 512.
4 PoDLECH, 1984, S. 512. S. auch HAsso HoFMANN, Repräsentation. Studien zur Wort- und Be-
griffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Berlin 1974; HoRST WENZEL, Art. Re-
präsentation (2), in: Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 3,3, neubearb. Aufl.
Berlin, New York 2003, S. 268-271, hier S. 269 zur Wortgeschichte der repraeseMtatto im Mit-
telalter: »Neben die juristische Verwendung des Begriffs im Sinne von >Stellvertretung< tritt
zunehmend die politische im Sinne der Selbstdarstellung eines Kollektivs (ddentitätsreprä-
sentatiom) oder der Bildung politischer Korporationen durch Verbindlichkeit erzeugendes
Verhalten ihrer Mitglieder«.
5 Weil, wie Johannes von Segovia behauptet, dem Basler Konzil sowohl der Name der recht-
gläubigen Kirche als auch die Macht über sie zukomme, sei das Konzil als ihr legitimer Stell-
vertreter zu bezeichen. Auch der Papst (implizit angesprochen ist der in Basel für abgesetzt
erklärte Eugen IV.) schulde dem Konzil daher Gehorsam: tpL? et nomen possidet et MMtuersad-
tatew potestatts, eoMcdtMW ecctesd? eatZ;odea appedatMr et e; ^MtcMW^MeJfdeüs olvdtre tewetMr,
ectaw papa. Vgl. oben S. 41, Anm. 1.
6 Vgl. PoDLECH, 1984, S. 513.
 
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