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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0114

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2.2. Stadtchronistik als »Identitätserzählung<

113

verzeichnet gibt sich der Verfasser dieser Niederschrift mit einigen Ich-For-
men und pronominalen Bezügen auf Familienmitglieder als Neffe oder Nichte
Bertholds zu erkennen.^ Die Forschung vermutet in ihm zumeist Endres (II.),
den ältesten Sohn von Endres (I.), der oben bereits als Verfasser des Baumeis-
terbuchs genannt wurde. Er stellte den Text offenbar auf der Basis von mündli-
chen Berichten oder verlorenen schriftlichen Notizen Bertholds zusammen.
Doch nicht nur von Berthold (III.) und seinem »Ghostwriter« Endres (II.),
sondern auch von deren jüngerem Bruder respektive Vater Endres (I.) haben
sich ähnliche Aufzeichnungen erhalten. Scheurl trug sie nicht in den Codex
H, dafür aber in seinen Collectaneenband F unter der Überschrift AEsc/irz/f
eins memoria/ oder iiand/mcii/eins ein. Sie sind der einzige Überlieferungszeuge,
der sich von diesen annalistisch strukturierten Aufzeichnungen überhaupt er-
halten hatü^ Im Gegensatz zu seinem Schwiegervater Konrad Paumgartner
oder seinem Bruder Berthold nahm Endres nur ganz vereinzelt Nachrichten
zu seinem persönlichen Umfeld und seiner Familie auf, so etwa den Tod sei-
nes Vaters im Jahr 1425.^ Statt dessen - so zeigt sein in Scheurls Abschrift
dreizehn Seiten starkes Werk mit Nachrichten zu den Jahren 1421 bis in End-
res' Todesjahr 1440 - interessierte er sich vorrangig für die Geschichte seiner
Heimatstadt.^ Mehrfach wird deutlich, dass er als Augenzeuge berichtet. So
beschreibt er etwa eine Sonnenfinsternis am 17. Juni 1433 mit den Worten: omE
11 Mr Mml 17 mmMlon lag sie an, nnd nm& 12 nr nnd 16 mmnlon marf
d/o SMM als^'nslor, das /cd d/o slcrn saed am d/mol, nnd das man doedf anznndcl, nnd
morof nd /angü" Nach seiner (im Vergleich zum Werk seines Bruders Berthold
deutlich ausführlicheren) Passage zur Überführung der Reichskleinodien nach
Nürnberg notierte er zum 17. April 1424: Do man zalf 1424 jar am monfag /n der

286 Vgl. eine Zusammenstellung der Indizien schon bei Theodor von Kern in seiner Einleitung
zum Tucherschen Memorialbuch, CDS10, X, S. 4, Artm. 1: Beim 26. September 1427 bezeichnet
der anonyme Autor den Urheber Berthold als meüifsj uHcru (vgl. ebd., S. 17), zum 10. No-
vember 1425 bezeichnet er Bertholds Vater Hans als unser aniierr Hanns Tn Her sH'gcr, also als
seinen Großvater (S. 16), sowie zum 20. Februar 1436 dessen Ehefrau als unser aufhne (S. 21),
also Großmutter. Zum 6. Februar 1427 berichtet er vom Tod der Anna Hanns EbMauwerüi nnsers
unters seligen swesfer (S. 16), das heißt, einer Schwester Bertholds (III.) und Tante des Autors.
Dass aber nicht Berthold als der hier genannte unter gemeint sein kann, sondern dessen Bruder
Hans (II.), ergibt sich daraus, dass Berthold selbst keine männliche Nachkommenschaft hatte,
die das Erwachsenenalter erreichte, wenn man nicht eine Verfasserin - wie in dieser Textsorte
bisher nicht belegt - vermuten will. Vgl. mit denselben Belegen auch die Ausführungen bei
KiRCHHOFF, Diss. (in Vorbereitung), Anm. 245.
287 Ed. CDS 2, III, S. 9-29, Beschreibung des Textzeugen (fol. 39v-46v) ebd., S. 7f., ohne Sigle. Vgl.
auch STRAssNER, 1977, S. 29.
288 CDS 2, III, S. 13.
289 Während Berthold im Alter von dreißig Jahren zusammen mit seinem Bruder Hans (II.),
Scheurls Urgroßvater, in den Kleinen Rat gewählt worden war, wo er seit 1425 führende
Ämter der Stadt bekleidete, hatte sich Endres (I.) - wiewohl seit 1422 Mitglied im Großen
Rat - hauptsächlich dem Handel und der Verwaltung des Landbesitzes gewidmet. Vgl. dazu
HELGARD ULMSCHNEiDER, Art. Tücher, Berthold III. und Endres II. (d. J.), in: Verfasserlexikon,
Bd. 9, 2. Aufl. Berlin, New York 1995, Sp. 1121-1125, sowie DIES., Art. Tücher, Endres I. (d. Ä.),
in: ebd., Sp. 1125-1127.
290 CDS 2, III, S. 23.
 
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