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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0190

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2.3. Politische Dichtung und städtisches »Image'

189

Angesichts dieser starken Repressalien ist kaum verwunderlich, dass ein
großer Teil der Texte anonym^ oder unter Pseudonym^ verbreitet wurde. Be-
sonders scharf ging der Rat gegen Texte vor, in denen er selbst und seine Regie-
rung zum Gegenstand der Kritik wurden. Zum 18. August 1503 etwa notierte
der Chronist Heinrich Deichsler: da /izdz man amen an! gerfezz tztt^, /tat den rat
zzzztf dca Izzzrgerzzzezsfer and die yaatzca gemaza gasedazadf aad dza p/adzaad gadazs-
saa aad sedaadzadar gasaagaa.^ Auch in den Ratsverlässen gibt es Indizien für
solche Schmählieder gegen das Stadtregiment. Zum Jahr 1539 findet sich etwa
eine Nachricht, dass der Nürnberger Rat gegen sedazaeddad/aza habe vorgehen
müssen, so za Sd Toraafzaadzrcdaa g/aadaa, darza Mazaa Harraa [der Rat, Anm. d.
Verf.] aagrz^äa azardaa. Wie die Ratsverlässe zum 5. März dokumentieren, rea-
gierte die odardazf prompt und ließ eine hohe Belohnung für Hinweise auf den
anonymen Verfasser aussetzen A
Offenbar wurde damals auch der längst über die Stadtgrenzen hinaus be-
rühmte Dichter Hans Sachs der Autorenschaft verdächtigt. Er fühlte sich je-
denfalls bemüßigt, in einem auf den 13. Mai 1539 datierten gaspraed, das sprzed-
zoozd daha^aad; Tdzz raedf zzad^orcdf dzcd dardap solchen Vorwürfen entgegen zu
treten.^ Bisher, so erklärt Sachs zu Beginn des gaspraeds, habe er fest geglaubt,
dass derjenige, der zoarda^f, ardar aad sed/aedf [gut und gerecht, Anm. d. Verf.],
/ Trzdsaaz, sfzd aad garaedf lebe und handle, sich nicht fürchten müsse: Darda/d
zed arfdazd gaz; / Das sprzedazorf saz aaazar. / Adar za dazdzaa jaraa / Had zed as azar

55 Beispiele aus dem hier präsentierten Korpus zu Nürnberg: Lil. 1, Nr. 92A, kritisch ed. KEL-
LERMANN, 2000, S. 173-177, Str. XV: Der Mus dtj? liedtem ersfüct; MCM ftwt / &s Zwtt gcftmM
ein NdrMNrg / Sein Mat;mcM timt er sparen, / seZ^eneV es ad den uon Brandenlwrg/( / zne einem
gnZenjaine.' Lil. 2, Nr. 228, V. 275f.: Got sei geioid, spreeih ade amen, / dises sprneds diedier dot deinen
namen. Lil. 2, Nr. 191, V. 224f.: Do mit dat sied diser sprned geendt, / der diedter dieidt die nngenent.
56 So etwa Lil. 1, Nr. 123b, kritisch ed. CRAMER, 1982, Bd. 3, S. 341-347, hier Str. XXII, V. 1-7: Der
nns das dddn dat gediedt, / so dort ir seinen namen, / den icd ened die gar woi deriedt, / er wiii sied
des nit sedemen; / Heintz Vivrtwercd, der in ernennt, / wo er im iand tdnt reiten, / aiso er sied mit
namen nennt. Nach KELLERMANN, 2000, S. 236f., wird mit Heintz ein gängiger Bauern- und
Narrenname evoziert. Das Adverb nderzwered bezeichne etwas, das quer zur vorgegebenen
Richtung liege, so dass man bei diesem Autornamen einen »schrägen Vogel« oder »Querden-
ker« assoziiere. Potenziert wird die ironische Irreführung des Publikums nach Kellermann
noch durch die Behauptung des Dichters, er sei im ganzen Land durch diesen Namen leicht
zu identifizieren. Doch auch Hans Rosenplüt, der einen Großteil seiner Dichtungen in den
Schlussstrophen namentlich kennzeichnete, hat sich bei seiner politisch-didaktischen Reim-
rede auf Herzog Ludwig von Bayern der Autorfiktion eines Herolds bedient, Lil. 1, Nr. 110,
kritisch ed. Hans Rosenplüt, Reimpaarsprüche und Lieder, hg. von JÖRN REICHEL, Tübingen
1990 (Altdeutsche Textbibliothek 105), Nr. 23, hier V. 29-35. Nach KELLERMANN, 2000, S. 320,
soll ein solcher Gebrauch von Berufsbezeichnungen (s. auch Landknechte oder Fahrende) eine
»statusgebundene Nähe zum Geschehen« suggerieren und damit die Glaubwürdigkeit stei-
gern.
57 CDS 11, XIII, S. 664, vgl. auch SCHUBERT, 1975, S. 900.
58 HAMPE, 1928, S. 266.
59 Hans Sachs, Werke, Bd. 7, hg. von ADELBERT voN KELLER, Tübingen 1873 (Bibliothek des litte-
rarischen Vereins in Stuttgart 114), S. 252-257. Vgl. dazu knapp WiNFRiED THEiss, Der Bürger
und die Politik. Zu den zeitkritischen Dichtungen von Hans Sachs, in: Hans Sachs und Nürn-
berg. Bedingungen und Probleme reichsstädtischer Literatur. Hans Sachs zum 400. Todestag
am 19. Januar 1976, Nürnberg 1976 (Nürnberger Forschungen 19), S. 76-104, hier S. 87.
 
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