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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0233

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232

2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

nen der Vergangenheit aus. Frappierende Motivparallelen zu Sachsens späte-
rem Spruch zeigt ein hed/em, so die marggrd/i'scdeH ndder den pMnd gemacht
(7 Strophen ä 5 Verse)/^ obwohl es aus der Perspektive der Gegenseite verfasst
wurde und vor allem eine drastische Schmährede insbesondere auf Nürnberg
darstellt Da der anonyme Autor die Nürnberger für die Schuldigen des ge-
rade vergangenen Krieges hält, ruft er Gott an, dass er sie zur dede roden lasse,
wo sie dze ewig nmrfer ieiden mögend^ Polemisch wünscht er ihnen zu dieser
reis, also auf diesem Kriegszug in die Hölle, gidcd woi und prophezeit, es werde
ihnen fürwahr heiß werden.^
Der politische Konflikt von lokaler Bedeutung wurde also aufgebläht zum
Schicksalskampf zwischen guten und teuflischen Mächten schlechthin.^ Neu
an diesen beiden Texten zum zweiten Markgrafenkrieg ist der zunehmende
beziehungsweise völlige Verzicht auf konkrete Daten, Namen und Fakten.
Der in den vorangegangenen Texten klar ersichtliche Informationsanspruch
macht einer rein tendenziösen, in Sachsens Fall in eine Allegorie gekleideten
Beurteilung des Geschehens Platz. Freilich wurde auch in den früheren Texten
bereits mit moralisierenden und verabsolutierenden Schuldzuweisungen ar-
gumentiert - etwa mit den gegenseitigen Vorwürfen von Hochmut, Gier und
Vermessenheit oder durch Gebetsformeln und Appelle an die Gottesmut-
ter Maria oder Gottvater der existentielle Dualismus zwischen Gut und Böse
beschworen. Erinnert werden soll hier nur an die oben genannte Prophezeiung
in einer pro-städtischen Reimrede, das an den Nürnbergern verübte Blutbad in
der Schlacht im Wald werde vor dem füngsten Gericht gesühnt A" Nicht mehr
geführt wird in den beiden Texten zum zweiten Markgrafenkrieg jedoch die
konkrete Diskussion um Recht oder Unrecht dieses Krieges, und das, obwohl
Markgraf Albrecht Alcibiades den Aufstand des Kurfürsten Moritz von Sach-
sen gegen den Kaiser bewusst ausgenutzt hatte, um das nicht gerüstete Nürn-

364 Ed. Lil. 4, Nr. 621, S. 606f.
365 Hatte er in der ersten Strophe noch einen p/ewi;Mg strich für die Nürnberger gefordert, sic
dran werden ergangen (ebd., Str. 1, V. 2f.), so verflucht er in den letzten Zeilen alle, die anderer
Meinung sind: Er wünscht ihnen die pesiiienz [...] gro^ eis ein senimei an den Hals (ebd., Str. 7,
V. 3-5).
366 Ebd.,Str.3,V.3f.
367 Ebd., Str. 4, V. lf. Auch in den folgenden Strophen greift der anonyme Dichter die Höllen-
metaphorik immer wieder auf. In der sechsten Strophe etwa lässt er den Markgrafen den Rat
äußern, man solle die p/e(?ersecire im höllischen Feuer braten (Str. 6, V. 2). In der siebten Strophe
wiederholt er, dass /eigensecir nnd p%?en in der Hölle schwitzen sollten (Str. 7). Wie NoLTE,
1984, S. 87-93, in seiner Studie zu Sachsens »Himmelfahrt« des Markgrafen Albrecht zeigt,
war das Höllenmotiv gerade in den religionspolitischen Auseinandersetzungen der Zeit - so
belegen etwa die zahlreichen Einblattdrucke mit der »Höllenfahrt des Papstes« - äußerst be-
liebt. Auch die zum Teil älteren Höllenreisen in der Visionsliteratur hält er für ein mögliches
Vorbild für Sachs.
368 KELLERMANN, 2000, S. 277.
369 Im städtefeindlichen Lied Lil. 1, Nr. 90, kritisch ed. KELLERMANN, 2000, S. 143-147, Str. 9, etwa
wird der Vorwurf erhoben, die Städte wollten Gott selbst bekriegen. Umgekehrt steht für Ro-
senplüt Gott klar auf den Seiten der Städter (Hans Rosenplüt, Reimpaarsprüche und Lieder,
ed. REicHEL, 1990, Nr. 19, V. 421-424).
370 Lil. 2, Nr. 224, V. 174.
 
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