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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0242

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2.3. Politische Dichtung und städtisches »Image'

241

Kontingente der Reichsstadt, die am 7. Juni ausgezogen waren, um zum Bun-
desheer des Königs zu stoßen. Uber ihre Taten könne er freilich nur aus zweiter
Hand berichten. Nmi red ic/i also dorddt drein, / a/s ainer der nd ud geseden, so
räumt er ein, bevor er in den nachfolgenden Zeilen auf seine größere Kompe-
tenz hinsichtlich der Ereignisse im Nürnberger Umland hinweist: doed was zao
Nnrmderg ist gesededen, / das ist mir dnndd^
Die Sammlung und den Auszug der Nürnberger Kontingente nach Lauf,
Hersbruck und Reicheneck, die er beobachtete, legte er in seiner Beschreibung
wie eine Genreszene an: Er beginnt in der ersten Person Singular, wie er auf ei-
nem Spaziergang durch die Stadt der großen Menschenmassen gewahr gewor-
den sei, die zusammen strömten, um ein seifsam wander fzaj sedawan.^ In der
Menge am Platz vor dem Läufer Tor stehend verfolgt er die Truppenparade.
Bemerkenswert scheint ihm die freudige Laune, mit der die Reisigen auszie-
hen: Dar am sang, dar ander /aedfd^ Beim Versuch, die Truppenstärke zu eru-
ieren, muss er schließlich resignieren; die große Masse der Soldaten lässt sich
nicht zählen. Stattdessen spricht er seinen Segen über sied^ Auch den zweiten
Auszug der Nürnberger nach Altdorf am Lreitag vor dem St. Johannstag be-
obachtet und beschreibt Schneider.^
Mit der Beschwörung und »Profilschärfung« eines Kollektivbewusstseins
der Nürnberger, wie sie die in den vergangenen Kapiteln präsentierten Dich-
tungen verfolgten, einer »Imagebildung« der Städter vor allem in scharfer Ab-
grenzung zum ihre Existenz bedrohenden Adel, hat Schneiders Erzähleingang
nicht viel gemein. Geschickt verpackte er darin zwar die Information, wie stark
und prächtig die ausziehenden Nürnberger Truppen anzusehen seien. Doch
dies scheint nicht der einzige Grund für die breite narrative Ausgestaltung:
Die Passage scheint vielmehr um ihrer selbst willen erzählt. Mit den hier als
»Genreszenen« bezeichneten erzählerischen Einschüben bei Hans Schneider
erreichte die Stadtdarstellung eine neue Qualität. Abgekoppelt von der aktuel-
len Nachricht und politischen Aussage ließen sie sich somit themenunabhängig
als literarisches Mittel einsetzen. Insbesondere Hans Sachs sollte in der Folge-
zeit diese Form des Erzähleingangs in mehreren seiner politischen Reimdich-
tungen zur Perfektion bringen. Als Beispiel soll hier seine auf den 30. Septem-
ber 1535 datierte Hisforia uon dem /(aiseriie/wn sieg in A/nca in Mnigreicii Tnnis^
vorgestellt werden. Aus dem Ereignis in der Ferne wurde realiter - wie oben
auch schon für die Historiographie am Beispiel der Totenfeiern für Kaiser Sig-

422 Ebd., V. 208f. und 210f.
423 Ebd., V. 213-236, hier V. 217.
424 Ebd., V. 225.
425 Ebd., V. 228-231, V. 234-236.
426 Ebd., V. 269-277.
427 Ed. Lil. 4, Nr. 459, S. 121-123. Zur Nürnberger Überlieferung vgl. KuRRAs, 1983, S. 5. Vgl.
CHRISTIANE THEN, »rechte(r) adler«, »pfaffenknecht«: Die Darstellung Kaiser Karls V. in ausge-
wählten Liedern und Reimreden der Sammlung des Rochus von Liliencron, unveröff. Magis-
terarbeit, Bamberg 2006, und knapp BRUNNER u. a., 2002, S. 638-640.
 
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