Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0251

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
250

2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

Als eines dieser »Klischees«, die das »Image« der Stadt prägten, sei hier auf
Nürnbergs naturräumliche Benachteiligung verwiesen, die aus der Unfrucht-
barkeit und Kargheit des Nürnberger Bodens resultiere. Erstmals greifbar ist
dieses Urteil schon im 13. Jahrhundert, im Großen Freiheitsbrief Friedrichs II.
aus dem Jahr 1219. Mit ihm begründete der Staufer, weshalb er der Stadt die
Reichsunmittelbarkeit, ihre steuerliche Selbstverwaltung sowie ihre Handels-
privilegien bestätigte/ Im 15. und 16. Jahrhundert sollte diese Bemerkung so-
wohl im volkssprachlichen Fobspruch auf Nürnberg/ in den Reiseberichten
auswärtiger Besucher als auch in den humanistischen Stadtbeschreibungen im-
mer wieder zitiert und aufgenommen werden - freilich argumentativ je anders
in die eigenen Texte eingebunden. So findet sich beispielsweise der nüchterne
Kommentar, die unfruchtbare Region sei der Grund, weshalb Nürnberg haupt-
sächlich von Handwerkern und Händlern bevölkert sei/ Häufiger ist jedoch
die affirmative Erklärung, der naturräumliche »Standortnachteil« werde durch
den besonderen Fleiß der Bewohner wettgemacht/" ja, diese charakterliche Dis-
position der Nürnberger sei sogar durch die klimatische Ausgangslage bedingt
und sei so das Motiv für die politische Feistungsfähigkeit der Nürnberger.^
Schließlich sind auch Erklärungsmuster zu finden, die diesen Topos bereits
vorsichtig mit der »empirischen« Beobachtung der Autoren kontrastieren: Wie
sie berichten, sei die einstige Armut des Waldbodens rund um Nürnberg durch
das mgenrnm der ansässigen Bauern längst in ertragreiches Ackerland - in das
für seine Fruchtbarkeit berühmte Knoblauchsland - verwandelt worden.^
Die »Glieder jener Kette von Schilderungen Nürnbergs hängen merkwürdig
genug untereinander zusammen«, so stellte bereits der Editor der

7 Nürnberger Urkundenbuch, ed. PFEIFFER, 1959, Nr. 22, S. 15, für eine Abb. vgl. FLEiscHMANN,
2000a, S. 50f.
8 Im volkssprachlichen Städtelob findet sich der Topos freilich nur stark verkürzt und ohne
Einbettung in einen argumentativen Zusammenhang im Fobspruch auf Nürnberg des Hand-
werkerdichters Rosenplüt, vgl. Hans Rosenplüt, Reimpaarsprüche und Fieder, ed. REICHEL,
1990, Nr. 20, V. 290f.: idi NMrmNrg gieUieM nie muh / dMrrcM gelegen.
9 Vgl. etwa die dritte Redaktion der Historia AMSbiaFs von Enea Silvio Piccolomini, ed. Aeneae
Silvii Episcopi Senensis qvi postea Pivs Papa II. fvit. Historia Rervm Friderici III. Imperatoris
[Historia Austrialis], in: Analecta monumentorum omnis aevi Vindobonensia, Bd. 2, hg. von
ADAM FRANCiscus KoLLAR, Wien 1762, Sp. 1-550, hier Sp. 419.
10 Vgl. etwa die erste Redaktion der HfsforM AMSbiaF's von Enea Silvio Piccolomini, ed. ebd.,
Sp. 164.
11 Vgl. etwa Johannes Cochlaeus, Brevis Germanie Descriptio (1512), mit Deutschlandkarte des
Erhard Etzlaub von 1512, hg., übers, und kommentiert von KARL FANGOSCH, Darmstadt 1960
(Ausgewählte Quellen zur Geschichte der Neuzeit 1), S. 77 (lib. IV cap. 6).
12 Vgl. etwa Conrad Celtis, NorimHrga, ed. WERMiNGHOFF, 1921, S. 105f.; Helius Eobanus Hessus,
Urbs Noriberga Ülustrata carmine Heroico, in: ders., Dichtungen. Fateinisch und Deutsch,
Bd. 3: Dichtungen der Jahre 1528-1537, hg. und übers, von HARRY VREDEVELD, Bern, Frank-
furt a. M., New York, Paris 1990 (Mittlere Deutsche Fiteratur in Neu- und Nachdrucken 39),
S. 183-267, V. 76-91; die Gegenüberstellung zwischen der kargen Region und dem fruchtbaren
Umland um Nürnberg vgl. am ausgeprägtesten im Reisebericht des Agostino Patrizzi, Ge-
sandtschaftsbericht, in: FRANK-RuTGER HAUSMANN, Giovanni Antonio Campano (1429-1477).
Erläuterungen und Ergänzungen zu seinen Briefen, Freiburg i. Br. 1968, S. 533-575, hier
S. 533f., vgl. dazu ausführlich unten Kap. 2.4.10.
 
Annotationen