Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0481

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
480

5. Epilog

szenierungen der »Noricama«, einer Diashow im Nürnberger Stadtmuseum,
nicht nur Albrecht Dürer, sondern selbst Kaiser Friedrich Barbarossa zum
Nürnberger wird. Die Bewertung dieses Trends ist umstritten. Der Ethnologe
und Soziologe Rolf Lindner etwa versteht ihn »nicht mehr, wie sein Vorläufer in
den 70er Jahren, als eine vom Autonomiestreben beseelte Gegenbewegung zur
Globalisierung, sondern eher als deren Komplement«. Regionalismus bedeute
heute die Rückbesinnung auf eigene Qualitäten mit dem Ziel, einen globalen
Strukturwandel zu bewältigen.^ Kritischer äußert sich Lindners Fachkollege
Manfred Seifert: Das neuerwachte Interesse an der emotionalen Identifikation
mit dem näheren Lebensumfeld deutet er als Bedürfnis nach dem Rückzug in
überschaubare, konfliktarme Kleinwelten.^
Spricht aus Seiferts Urteil die Furcht vor einer neuen Verbissenheit bei der
Suche nach »dem Eigenen«, so gibt sich die Annäherung an das Motiv der
mittelalterlichen Stadt im aktuellen Nürnberg spielerisch. Längst etwa gilt die
Kunst Albrecht Dürers, nach dem sich die Stadt heute wieder programmatisch
benennt, nicht mehr als »altdeutsch«, sondern als weltoffen und »modern« - für
diese Umwertung stehen etwa die »Kunstaktionen« zum berühmtesten Sohn
der Stadt: 2004 nahm der Künstler Ottmar Hörl den 500-jährigen »Geburtstag«
von Dürers Aquarell »Junger Feldhase« zum Anlass, um 7000 dreidimensio-
nale Popart-Kopien des Tiers auf den Nürnberger Hauptmarkt zu setzen. Das
Fußball-WM-Jahr 2006 wurde im Austragungsort Nürnberg mit Dürers Aqua-
rell »Das große Rasenstück« beworben; seine Eva und sein Adam waren in der
Stadt vor Fußballgrün plakatiert. Auch heute wird also am Nürnberg-Mythos
mit den Mitteln unserer Zeit und unseren Bedürfnissen entsprechend weiter-
gebaut: Die Stadt der Dürerzeit bleibt ein Thema.

14 LiNDNER, 1994, S. 7.
15 MANFRED SEIFERT, Der neue Charme lokaler Identität. Zur Historisierung und Musealisierung
von Heimatwelten, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2002, S. 11-25, hier S. 11.
 
Annotationen