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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0480

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5. Epilog

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einem Vortrag 1953 in Hersbruck betonte - eine Stadt, »die mehr als nur einer
Landschaft ihr Gesicht gab, - sie ist durch alle Zeiten des Niedergangs und des
Unglücks hindurchgegangen, ist im Wandel der Zeiten und Kulturen Industrie-
großstadt geworden und ist im Grunde doch immer das Gleiche geblieben: ein
Stück Deutschland.«^" Noch 1971 schrieb Gerhard Pfeiffer im Vorwort
der von ihm herausgegebenen großangelegten Nürnberger Stadtgeschichte,
Nürnberg schildere »nun einmal deutsche Geschichte in ihren Höhe- und Tief-
punkten. Nürnberg ist weder die ideale Gemeinschaft, wie sie sich in Dürer
wie in einem Brennpunkt zu vereinen scheint, noch symptomatisch für Hybris
oder Verworfenheit, wie sie in jüngster Zeit zutage trat.«" Damit galt die »Stadt
Dürers« zwar nicht länger als Ebenbild, dafür aber als Kontrastfolie zu »Hitlers
Nürnberg« - und somit weiterhin als Symbol deutscher Geschichte allgemein.
Zugleich blieb diese Perspektive auf den Nürnberg-Mythos in der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht die einzige. Ihre Botschaft verklang vielmehr
zunehmend angesichts anderer, neuer Zugänge zur Stadtgeschichte. Nannten
etwa die Nürnberger Historiker Werner Schultheiß und Ernst Eichhorn ihren
Reiseführer in der zweiten Auflage von 1961 noch »Nürnberg, die alte deutsche
Stadt, Schatzkästlein der Deutschen«, so gaben sie ihm in der dritten Auflage
von 1971 den Titel »Nürnberg. Dürerstadt, Florenz des Nordens«.^ Auch Ger-
hard Pfeiffers Sammelband zur Nürnberger Geschichte von 1971 lässt sich für
einen Wandel der Perspektiven anführen, wenn er Nürnberg auf dem Buch-
cover nicht als »deutsche«, sondern als »europäische Stadt« bewirbt: Längst
war damit auch »das deutsche Nürnberg« in einen neuen Bezugshorizont ge-
stellt, in der Hoffnung, das in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts
pervertierte Konzept der Nation zu überwinden.^
Doch auch Europa bleibt nicht die einzige Richtschnur für die Neuorientie-
rung lokaler Identitäten. Im der aktuellen Globalisierungsdebatte hat vielmehr
allerorten ein neuer »Regionalismus« Hochkonjunktur: Er lässt etwa in den In-

10 HANNS HuBERT HoFMANN, Nürnberg in der deutschen Geschichte. Ein Vortrag, in: Altnürnber-
ger Landschaft Mitteilungen 2,1953 (Sonderheft), S. 16.
11 GERHARD PFEIFFER, Vorwort, in: Nürnberg. Geschichte einer europäischen Stadt, hg. von DEMS.,
München 1971, S. VII-IX, hier S. VIII.
12 WERNER ScnuLTHEiss und ERNST EicHHORN, Nürnberg, die alte deutsche Stadt, Schatzkästlein
der Deutschen, 2. erw. Aufl. Nürnberg 1961. DiES., Nürnberg. Dürerstadt, Florenz des Nor-
dens, 3. Aufl. Nürnberg 1971.
13 Nur verwiesen werden kann an dieser Stelle auf die Bemühungen der Stadt seit den sechzi-
ger Jahren, nicht nur die Rolle Nürnbergs im Nationalsozialismus aufzuarbeiten (vgl. etwa
Neugestaltung des Reichsparteitagsgeländes, »Straße der Menschenrechte« des israelischen
Künstlers Dani Karavan u. v. m.), sondern die Aufmerksamkeit auch auf andere Epochen der
Stadtgeschichte zu lenken: Die Gründung des Spielzeugmuseums und des Museums Indu-
striekultur etwa sollten demonstrieren, dass Nürnberg nicht nur mittelalterliche Reichsstadt,
sondern auch Metropole der Industrialisierung, Arbeiterstadt und Hochburg der linkslibe-
ralen Sozialdemokratie war, und damit auch die traditionelle, als »Hort der Hochkultur«
verstandene Kulturpolitik um weitere Bevölkerungsschichten ansprechende Alternativen
ergänzen (vgl. etwa das Kunstpädagogische Zentrum im Germanischen Nationalmuseum).
Vgl. FRANZISKA KNÖPFLE, Im Zeichen der »Soziokultur«. Hermann Glaser und die kommunale
Kulturpolitik in Nürnberg, Nürnberg 2007 (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesge-
schichte 64).
 
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