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Haeberli, Simone; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Der jüdische Gelehrte im Mittelalter: christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung — Mittelalter-Forschungen, Band 32: Ostfildern, 2010

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34910#0023

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Einleitung

und eine genaue Analyse der jeweiligen Vorlagen kann die wirkliche Bedeutung eines
einzelnen Textzeugen aufzeigen, da nur so dessen Eigenart überhaupt erst sichtbar
wird. Ist die lateinische Vorlage eines mittelhochdeutschen Textes bekannt und greif-
bar, wird bei Abweichungen das lateinische Original in den Fußnoten beigegeben.
Manchmal sind auch Ausblicke auf andere volkssprachige Literaturen notwenig, bei
höfischer Literatur namentlich auf französische Texttraditionen. Die Auswahl der Texte
beschränkt sich dabei keineswegs auf die wirkungsmächtigsten und einflussreichsten
Werke des Mittelalters, sondern bezieht auch entlegene Texte mit ein, da gerade sie
zeigen können, wie weit verbreitet gewisse Vorstellungen waren. Wo immer dies mög-
lich ist und angemessen erscheint, werden auch handschriftliche Zeugnisse konsultiert,
was in einigen Fällen zu erstaunlichen Erkenntnissen führt. In seltenen günstigen
Fällen sind die untersuchten Manuskripte mit aufschlussreichen Illustrationen ver-
sehen, die gewisse Vorstellungen über jüdische Gelehrte auch auf der bildlichen Ebene
sichtbar werden lassen.
Die Arbeit versteht sich als komparatistisch angelegte Motivstudie oder Figuren-
geschichte mit strengem philologischem Grundsatz: jede Aussage muss am Text beleg-
bar sein. Aufgrund zahlreicher negativer Erfahrungen mit der Forschungsliteratur über
das mittelalterliche Judentum, die sich in nicht wenigen Fällen durch Ungenauigkeit
und mutwillige Interpretationen unter Auslassung der Textbelege geradezu auszeich-
net, werden die originalen Textbelege wo immer möglich im Fließtext oder den Fuß-
noten mit angeführt.

Vorbemerkungen zur Begrifflichkeit

Bezeichnung der Bibelteile
Seit jüngerer Zeit hat sich eine neue Terminologie für die Bezeichnung der verschiede-
nen Teile der jüdischen und christlichen Heiligen Schriften durchsetzen können. Wer
auf den interreligiösen Dialog bedacht ist, verwendet heute nicht mehr die während
Jahrhunderten gebräuchliche Zweiteilung in »Altes« und »Neues Testament«. Stattdes-
sen wurde vorgeschlagen, von einem »Ersten« und einem »Zweiten« Testament zu
sprechen, was grundsätzlich mehrere Vorteile hat: erstens kann so die traditionelle Ab-
wertung, die sich assoziativ mit der Bezeichnung »alt« im Sinne von »veraltet« verbin-
det, vermieden werden. Zudem wird der historische Sachverhalt korrekt wiedergege-
ben und auf die Abhängigkeit des Zweiten Testaments vom Ersten hingewiesen. Doch
auch diese Bezeichnung ist nicht unverfänglich, da durch die Verwendung von Ordinal-
zahlen suggeriert wird, das Erste Testament verlange nach dem Zweiten, wie ein Ent-
wurf nach einer Bestätigung, was aus jüdischer Sicht nicht haltbar ist und entsprechend
abgelehnt wird.
Eine weitere Bezeichnung der Heiligen Schrift ist der hebräische Kunstbegriff
»Tanakh« oder »Tenakh«. Der Begriff bildet sich aus den fünf Büchern Mose (Tora [ta
oder te]), den Propheten (Ncunw [na]) und den »Schriften« (Kcümnn [Ui]). Vielfach kommt
auch die Bezeichnung »Hebräische Bibel« zur Anwendung, was allerdings linguistisch
 
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