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Haeberli, Simone; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der jüdische Gelehrte im Mittelalter: christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung — Mittelalter-Forschungen, Band 32: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34910#0055

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42 I. Konzeptionelle Rahmenbedingungen mittelalterlicher Judendarstellung

1.5 Auswirkungen auf die Darstellung der Juden

An einer Auswahl mittelalterlicher literarischer Texte wird im Folgenden gezeigt, wie
sich die oben besprochenen konzeptionellen Bedingungen auf die Wahrnehmung und
Darstellung der Juden auswirken. Die Belege sind nach dem Ablauf des Heilsgesche-
hens geordnet, innerhalb der Unterkapitel entsprechend der tatsächlichen Entstehungs-
zeit der Texte, so dass auch der Einfluss der Entstehungszeit auf die Darstellung der
jüdischen Figuren sichtbar wird.

1.5.1 Alttestamentliche Figuren
Unter typologischem Gesichtspunkt kommt einer alttestamentlichen Figur keine
Eigenständigkeit zu. Eine Auffassung, die sich sowohl in der bildenden Kunst wie
auch in der Literatur manifestiert. Ein sehr eindrückliches Beispiel dafür ist das Portal
an der Nordseite des Bamberger Domes, an dem sich eine Darstellung der zwölf Pro-
pheten und der zwölf Apostel findet. Je zwölf Figuren befinden sich links und rechts
des Portals. Dabei stehen sich aber Propheten und Apostel nicht gegenüber. Vielmehr
stellen die Propheten das Fundament für die zwölf Apostel dar, die auf ihren Schultern
stehen und so als ihre Nachfolger erkennbar sind.^ Der einzige Unterschied zwischen
Propheten und Aposteln besteht in ihrer Position; in Würde oder Ausstattung unter-
scheiden sie sich kaum. Das Neue baut auf dem Alten auf, das Jüngere kennt seine
Herkunft und verachtet sie nicht.
Ähnlich verhält es sich mit der literarischen Darstellung der ehrwürdigen Figuren
des Alten Testaments, auch wenn aus erzähltechnischen Gründen die neutestamentli-
che Entsprechung meistens fehlt. So lange alttestamentliche Personen ein gottesfürchti-
ges Leben führen, gibt es für einen mittelalterlichen christlichen Verfasser keinen
Anlass, diese Figur negativ darzustellen. Patriarchen, gottesfürchtige Könige und Pro-
pheten gehören ohne Zweifel zum auserwählten Volk Gottes. Sie fungieren als Christus-
künder, Realprophetien oder auch als leibliche Vorfahren Christi. Sie besitzen eine kla-
re und wichtige Funktion im göttlichen Heilsplan. Dadurch haben sie direkten Anteil
an der Erhabenheit des zukünftigen Geschehens rund um die Menschwerdung Christi
und die Entstehung der Kirche. Dies gilt auch für jüdische Figuren, die nicht in bibli-
schen Erzählungen auftreten. So findet sich in Rudolfs von Ems Alexanderroman eine
Beschreibung des jüdischen Hohepriesters Jaddus, der zur Zeit Alexanders in Jerusa-
lem die Oberaufsicht über das Volk Israel innehatte. Der ewarf wird als rechtgläubig
(der was in dem eeionhen reid) und wahrhaftiger Diener Gottes bezeichnet (ein yewwrer
Gofes U;eid). Er wird sodann als Stammvater Marias vorgestellt:
diz was daz /dinne des Jndas
ein pafriarciie ein nriiap was
non dein Ardnne oncii was Dauif

Beschreibung und typologische Auslegung bei: FRIEDRICH OHLY, Synagoge und Ecclesia.
Typologisches in mittelalterlicher Dichtung, in: Judentum im Mittelalter. Beiträge zum christ-
lich-jüdischen Gespräch, hg. von Paul Wilpert, Berlin 1966, S. 350-369; vgl. auch RAYMOND
KLIBANSKY, Standing on the shoulders of Giants, in: Isis 26 (1936), S. 147ff.
 
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