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Haeberli, Simone; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der jüdische Gelehrte im Mittelalter: christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung — Mittelalter-Forschungen, Band 32: Ostfildern, 2010

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34910#0089

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76

II. Christliches Sprechen über jüdische Gelehrte

11.3 Kleriker sprechen über jüdische Gelehrsamkeit

Christlichen Gelehrten blieb die jüdische Wertschätzung der Gelehrsamkeit angesichts
der Talmudzentren und des gelegentlich wohl sehr selbstbewussten Auftretens jüdi-
scher Gesprächspartner nicht verborgen. Bereits in die frühmittelalterliche christliche
Literatur findet die jüdische Wertschätzung ihrer Gelehrten Eingang. In Auseinander-
setzung mit christlichen Klerikern scheinen nämlich Juden gerne auf ihre gelehrten
Männer verwiesen zu haben, die sie als Ausweis ihrer Würde und Autorität dar-
stellten. Sobald ihnen von den Christen ihre Würde und jeglicher Herrschaftsanspruch
gemäß Gen 49,10'^ kategorisch abgesprochen wurde, reagierten sie mit dem Hinweis
auf »kluge und mächtige Männer«, welche sehr wohl die Herrschaft über ihre Häuser
und Familien innehätten. Dieses jüdische Argument überliefert bereits Fulbert von
Chartres (um 960-1028) in seinem >Tractatus contra Iudaeosc
Ah'z A'crznt esse in regzonzAzs JAAteos prn&nfes zthpze potentes, pzzz uir-
pn A'recfz'onz's optinie pnLernent Annos et^Ani/ias snas, iAopne non esse
aHatnzn sceptrnon de Jnda.'^
Dass die Juden bei solchen Auseinadersetzungen offenbar die Klugheit und Gelehr-
samkeit dieser Männer zu betonen pflegten,' scheint aufgrund einer zweiten Stelle
desselben Traktats plausibel, an der das christliche Argument und die jüdische Entgeg-
nung wiederholt, aber variiert werden: es sind nun laut Fulbert JAdaci iocapietes et z'zzpe-
niosi, welche die Juden als strenge Lenker ihrer Familien und damit als Vertreter jüdi-
scher Herrschaft ins Feld führen.' Werden beim ersten Zitat die Macht (potentes) und
beim zweiten die materielle Stärke (toenptetes) betont, so werden doch beide Qualitäten
nie ohne den Hinweis auf die zusätzlichen intellektuellen Fähigkeiten der Betreffenden
erwähnt (pmdenfes und inpeniosi).
Während Äußerungen wie jene Fulberts nur vermuten lassen, dass die Juden in
Auseinandersetzungen auf ihre Gelehrten verwiesen, finden sich auch christliche Stel-
lungnahmen zum Umgang der Juden mit Wissen und Gelehrsamkeit, die sie unab-
hängig von einer religiös-konfligierenden Situation tätigen. Von einem nicht näher be-
kannten Scholastiker, einem Schüler des berühmten Abaelard, ist ein erstaunliches
Zitat aus seinem Werk >Commentarius Cantabrigiensis< überliefert. In seinem Kom-
mentar zu Eph 6,4 »Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in
der Zucht und Weisung des Herrn!« verweist er auf die Bildung, welche die Eltern
Susannas ihrer Tochter angedeihen ließen, und die deshalb als Gerechte bezeichnet
werden. Den entsprechenden Vers aus Daniel 13,3 wiederum nimmt er als Anlass für
'5 »Nie weicht von Juda das Zepter, der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der kommt, dem
er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt.«
Fulbert von Chartres, Tractatus contra Iudaeos, in: PL 141, Sp. 307A.
Dies immer unter der Voraussetzung, dass die Kontakte auch wirklich stattgefunden haben;
da es sich aber bei diesem Argument nicht um ein biblisches oder andersweitig traditionelles
Argument handelt, kann davon ausgegangen werden, dass die frühmittelalterlichen Diaspo-
rajuden es aus ihrem wachsenden Selbstverständnis heraus entwickelten.
Fulbert von Chartres, Tractatus contra Iudaeos, in: PL 141, Sp. 315B: Prz'zzzzzzzz zzozz credz'zzzzzs,
[...] nezzz'sse CAz'sbzzzz, zpzz'zz nz'rpzzzzz repz'zzzz'zzz's Jzzdzz zzozz pzzfzzzzzzzs zzHzzhzzzz. Szzzzf ezzz'zzz z'zz zzzzzÜz's repz'o-
zzz'Fzzs Jzzdzzez ioczzpiefes ef z'zzpezzz'osz zpzz repzzzzzzf sfrezzzzeyzzzzzz'iz'zzs szzzzs, ef zpzz'zz fzzies z*ecfoz*es zzAzzzc esse
uz'dezzzzzs, dz'cz'zzzzzs zzozzdzzzzz esse zzHzzhzzzz scepüzzzzz de Jzzdzz, zzezpze nezzz'sse Clzn'sfzzzzz zzdlzzzc.
 
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