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Haeberli, Simone; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der jüdische Gelehrte im Mittelalter: christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung — Mittelalter-Forschungen, Band 32: Ostfildern, 2010

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34910#0080

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II. Christliches Sprechen über jüdische Gelehrte

11.1 Einleitung

Von der Spätantike bis ins Spätmittelalter und darüber hinaus suchten christliche Kleri-
ker immer wieder gelehrte Juden auf, meistens um von ihnen Informationen über den
hebräischen Wortlaut der Bibel zu erhalten. Oftmals erwähnen sie in ihren theologi-
schen Schriften Meinungen von zeitgenössischen Juden und schreiben über die Begeg-
nungen mit ihnen/ Im Folgenden werden deshalb - nach einem kurzen Blick auf den
Kirchenvater Hieronymus, der in seiner Vorbildfunktion den Diskurs wesentlich präg-
te - an Beispielen aus dem 9. bis 15. Jahrhundert die verschiedenen Arten des christli-
chen Sprechens über mittelalterliche jüdische Gelehrte untersucht. Die Quellen stam-
men fast ausschließlich aus dem heutigen Frankreich und Deutschland. Karolingische
Gelehrte kommen dabei genauso zur Sprache wie die späteren Scholastiker. Im Zusam-
menhang mit der christlichen Wahrnehmung des Talmud wird zudem ein Blick nach
Spanien notwendig. Dabei werden auch Überlegungen zu den möglichen Motiven der
christlichen Verfasser, sich überhaupt über jüdische Gelehrte zu äußern, angestellt, spe-
ziell dann, wenn der Verdacht vorliegt, die beschriebene Begegnung sei möglicher-
weise nicht authentisch.
Im Umgang mit den Quellen stellen sich verschiedene Probleme: die Auswahl der
Zitate wird im Wesentlichen vorgegeben durch die edierten lateinischen Korpora, die
ihrerseits nur einen Ausschnitt aus dem mittelalterlich-christlichen Denken und Schrei-
ben wiedergeben. Nur sehr vereinzelt konnten für diesen Teil der Untersuchung hand-
schriftliche Quellen berücksichtigt werden. Der ausschnitthafte Charakter gilt auch für
das Werk der vorgestellten Verfasser selbst. Äußerungen über Juden machen oft nur
einen kleinen Teil eines Korpus aus und dürfen weder verabsolutiert noch zu stark
gewichtet werden. Hinzu kommt in diesen Texten eine grundsätzliche Ambivalenz in
der Judendarstellung, »die bei allen kirchlichen Repräsentanten vorauszusetzen ist und

Arbeiten, die Äußerungen von christlichen Autoren über Juden und Judentum versammeln -
allerdings ohne den Aspekt der Gelehrsamkeit zu untersuchen -, finden sich bereits mit
GEORGE FOOT MOORE, Christian Writers on Judaism, in: Harvard Theological Review 14
(1921), S. 197-254 (das Mittelalter wird dort allerdings auf 7 Seiten abgehandelt); BERNHARD
BLUMENKRANZ, Les auteurs chretiens latins du moyen äge sur les juifs et le judaisme, Paris
1963 (eine wertvolle und kritisch besprochene Materialsammlung basierend auf Mignes Pa-
trologia Latina); am ausführlichsten und ergiebigsten ist GILBERT DAHAN, Les intellectuels
chretiens et les juifs du moyen Äge, Paris 1990, bes. S. 229-336.
 
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