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Haeberli, Simone; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Der jüdische Gelehrte im Mittelalter: christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung — Mittelalter-Forschungen, Band 32: Ostfildern, 2010

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34910#0139

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III. Jüdische Gelehrtenfiguren in der mittelhochdeutschen Literaur

111.1 Der jüdische Gelehrte als Instanz der Weisheit und des
zuverlässigen Urteils

111.1.1 Der jüdische Weise im Alexanderroman
Die Taten und Fahrten des makedonischen Fürsten und Eroberers Alexander des
Großen, die in der Bibel Erwähnung finden und dort bereits als überheblich kritisiert
werden/ wurden im Mittelalter aufgrund ihres großen exemplarischen Potentials ger-
ne erzählt.' Entsprechend zahlreich sind seit der Spätantike die Bearbeitungen in grie-
chischer und lateinischer Sprache/ später auch in den Volkssprachen. Serbische,

IMakk 1,1-9: »Der Mazedonier Alexander, Sohn des Philippus, zog damals vom Land der
Kittäer aus. Er besiegte Darius, den König der Perser und Meder, und wurde als erster König
von Griechenland sein Nachfolger. Er führte viele Kriege, eroberte zahlreiche Festungen und
ließ die Könige der Erde erschlagen; er kam bis an das Ende der Welt, plünderte viele Völker
aus und die ganze Erde lag ihm wehrlos zu Füßen. Da wurde sein Herz stolz und überheb-
lich. Er stellte ein sehr großes Heer auf, herrschte über Länder, Völker und Fürsten und
machte sie sich tributpflichtig. Doch dann sank er aufs Krankenlager und fühlte seinen Tod
nahen. Er rief seine höchsten Offiziere zusammen, die mit ihm aufgewachsen waren, und
verteilte sein Reich unter sie, solange er noch lebte. Zwölf Jahre hatte Alexander regiert, als
er starb. Seine Offiziere übernahmen die Regierung, jeder in seinem Bereich. Nach seinem
Tod setzten sich alle die Königskrone auf; ebenso hielten es ihre Nachkommen lange Zeit
hindurch. Sie brachten großes Unglück über die Erde.« Im frühen Mittelalter kommentiert
beispielsweise Hrabanus Maurus diese Passage, vgl. PL 109, Sp. 1127-32.
ELISABETH GRAMMEL, Studien über den Wandel des Alexanderbildes in der deutschen Dich-
tung des 12. und 13. Jahrhunderts, Diss. Frankfurt a.M. 1931; ROLF BRÄUER, Alexander der
Große. Der Mythos vom unbesiegbaren Eroberer der Welt als Vorbild, Warnung und pejora-
tives Exempel, in: Herrscher, Helden, Heilige, hg. von Ulrich Müller und Werner Wunderlich
(= Mittelaltermythen 1), St. Gallen 1995, S. 3-19; zur Verwendung Alexanders in mittelalter-
licher politischer Propaganda vgl. RÜDIGER SCHNELL, Seifrits Alexander und die Reichspubli-
zistik des späten Mittelalters, in: DVjS 48 (1974), S. 448-477.
Die Quellen der Alexandergeschichte lassen sich grob in eine historisierende und eine fabu-
löse Tradition unterscheiden, wobei speziell die narrative Literatur deutlich der zweiten Tra-
dition folgt, die ihren Anfang im 3. Jahrhundert mit dem griechischen Alexanderroman
nimmt, der in der Regel als >Pseudo-Kallisthenes< bezeichnet wird. Bereits ums Jahr 320
übersetzt Julius Valerius den griechischen Alexanderroman ins Lateinische; dieses Werk
fand ab dem 9. Jahrhundert als Bearbeitung große Verbreitung (Julii Valerii Epitome, hg. von
JULIUS ZACHER, Halle 1867); Die Biographie Alexanders von Quintus Curtius Rufus, die als
historisch bezeichnet werden darf, war im Mittelalter zwar vorhanden und bekannt, wurde
aber kaum als Vorlage für Alexandererzählungen verwendet, vgl. BRÄUER, Alexander der
Große, S. 4-9. Zur »historischen« Tradition gehören auch die Kapitel 11 und 12 der >Historiae
Philippicae< Justins und das Werk >Historiae adversum paganos< von Orosius (5. Jh). Die be-
deutendste mittelalterliche lateinische Alexanderdichtung ist die >Alexandreis< des Walther
von Chätillon (letztes Drittel 12. Jahrhundert); größten Einfluss auf die deutschsprachige
Dichtung des Mittelalters nahm jedoch die fabulöse Alexandergeschichte des Archipresby-
ters Leo von Neapel aus dem 10. Jahrhundert (>Nativitas et victoria Alexandri Magni regis<),
die auf den griechischen Pseudo-Kallisthenes zurückgeht und deren zahlreiche Bearbeitun-
gen unter der Bezeichnung >Historia de preliis< zu laufen pflegen. Die Abhängigkeitsverhält-
nisse sind enorm kompliziert, da sich die Überlieferungsstränge vielfach kreuzen und zahl-
reiche Interpolationen aus den verschiedenen Jahrhunderten vorliegen. Die ausführlichste
 
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