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Haeberli, Simone; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der jüdische Gelehrte im Mittelalter: christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung — Mittelalter-Forschungen, Band 32: Ostfildern, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.34910#0115

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II. Christliches Sprechen über jüdische Gelehrte

der mündliche Kontakt nur im lokalen Idiom möglich gewesen zu sem.'^ Wie alle oben
besprochenen Autoren weist auch Andreas gelegentlich auf die Gelehrsamkeit seiner
Gewährsmänner hm, um seinen Aussagen, die er auf der Grundlage ihrer Informatio-
nen tätigt, die nötige Autorität zu verleihen.^"
Soweit ist in Andreas' Umgang mit den Juden nichts Ungewöhnliches festzu-
stellen. Jedoch begeht dieser Gelehrte, der übrigens der einzige christliche Theologe ist,
der ausschließlich auf der Literalsinnebene Exegese betrieb, in den Augen seines ehe-
maligen Mitschülers Richard einen wesentlichen Fehler. Statt die aus christlicher Sicht
falschen Meinungen der Juden aufzuführen und zu widerlegen, lässt sie Andreas in
seinem Werk oftmals unwiderlegt. Dadurch entsteht der Eindruck, dass Andreas den
(philologischen) Einwänden der Juden auch bei so wichtigen Stellen wie Jesaja 7,14
Recht gibt. Wenn Andreas jedoch den Ein wand der Juden gelten lässt, dass laut Jesaja
7,14 nicht eine Jungfrau, sondern ein junges Mädchen einen Sohn empfangen würde,
werden der wichtigste Beweis für Marias Jungfräulichkeit und die zentrale Christus-
prophezeiung in der gesamten hebräischen Bibel zunichte gemacht. Durch eine solche
Auslegung, so kritisiert Richard, werden die Gebildeteren zum Bösen verführt (scanda-
/z'zantnr) und die Ungebildeteren in einen schlechten Ruf gebracht; bis heute gebe es zu-
dem Schüler des Andreas, welche besagte Stelle nicht auf die hoata Maria beziehen wür-
den:

ln ^nozndazn znagisfn Andra? iraciaünn, in Isaia? explazzafz'ozzezzz
scn'pseraf, shnni ei edz'deraf, z'ncz'dz, in pzzo nonnniia ?ninns canic posz'fa,
?ninns caf/ioh'ce riispniaia inneni. ln nrnifis nanipne sczi'pfzzzAL iiiins io-
cis pozzz'fzzz^ JnArornfn senfenfia pnasi sit non ta?n Jnda?om?n pnam pro-
pria, ei neini nera. Snper iilnni anie?n iocrnn: Ecce virgo concipiet, et
pariet filium, Jndxorrnn ohjecfz'ones nei ^nxsiiones ponii, nee so/uz'f, ei
nideinr neini eis pahna/n dedisse, &nn eas neinii insoinLiies reiin^nii. in
ojüsznodz iia^ne posilioniiins scandaiizaninr periiiores, inya/naninr hn-
periiiores, in ianirnn ni ns^ne iiodie ex ejns dz'scz'pzzh's exisiani pni snpra
posiiaw propireiiaw non de &eaia Maria, ^nin poiins de propiieiissa dic-
ia?n coniendani.^'
In Anbetracht der Gefährlichkeit eines solchen judaisierenden Umgangs^ mit den zen-
tralen Bibelstellen der Christen ist es kaum verwunderlich, dass sich Richard von

dans le Commentaire de l'Heptateuque d'Andre de Saint-Victor, in: Recherches Augustinien-
nes 24 (1989), S. 199-240; für jüdische Aussagen über gelehrte Begegnungen mit Christen vgl.
ELBAZAR TOUITOU, Quelques aspects de l'exegese biblique juive en France medievale, in:
Archives juives 21 (1985), S. 35-40.
Andreas von St. Victor, Expositio in Ezechielem (= CChr CM 53E), hg. von Michael A. Signer,
Turnhout 1991, S. xxii.
Andreas von St. Victor, Commentarius in Danielem: Qzzozzz'azzz c 77777 777777777 771 erzzddz'ssz'zzzz's
Hetzreorzzzzz exposz'iz'ozzezzz accepz'zzzzzs z'zz izac operz's parie pozzezv decrenz'zzzzzs, iz'iierazzz eiz'azzz zyzzazzz izz'c se
izaiere dz'czzzzf pozzere niszzzzz /zzzi; Text der Ms. Pembroke 45, Cambridge, fol. 131c, zitiert nach
SMALLEY, Study of the Bible, S. 392.
DA HAK, L'exegese chretienne, S. 232ff.
Richard von St. Victor, De Emmanuele Libri Duo, Prologus, in: PL 196, Sp. 601f.
Vgl. zum Vorwurf des Judaisierens an Andreas einen an den Rand geschriebenen Leserkom-
mentar in der Ms. Lat. 574 der Bibliotheque Nationale in Paris, fol. 70v: szzd's uz'oiezzhzz* izzzzzc
fexfzzzzz exsczyzzerzs dzzzzz zzz'zzzz's z'zzdaz'zare fzz zzz'ferz's, zitiert nach SMALLEY, Study of the Bible, S. 164
mit Anm. 1. Sogar sein Schüler Herbert von Bosham bezeichnet Andreas (und einige seiner
 
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