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III. Jüdische Gelehrtenfiguren in der mittelhochdeutschen Literaur
wir heute nur deswegen kennen, weil sie von mittelalterlichen Übersetzern und Dich-
tern als geeignete Figur erachtet wurde, um Alexander zu belehren. Mardochai kann
allerdings aufgrund der Textanlage - einem monologischen Brief ohne narrative Rah-
mung - als Figur nicht dasselbe Gewicht entwickeln wie der alte Jude in der Straß-
burger Fortsetzung des Alexanderliedes. Inhaltlich jedoch übertrifft er Papas an Aus-
sagegehalt und Länge bei Weitem, während ihrer beider Schonungslosigkeit und
Eindringlichkeit in der Schilderung der menschlichen Hinfälligkeit vergleichbar ist.
111.1.2.2 Jaddus zeigt Alexander den wahren Gott
Eine dritte und letzte jüdische Figur im Alexanderstoff, die hier aber nur kurz und oh-
ne auf die zahlreichen Überlieferungsvarianten einzugehen besprochen werden kann,
findet sich mit dem Jerusalemer Hohepriester Jaddus. Dem Hohepriester erscheint
kurz vor dem Einmarsch Alexanders im Traum ein Engel, der ihm befiehlt, keine Angst
zu haben und dem Eroberer in vollem Habit und mit weiß gekleideten Priestern entge-
gen zu ziehen. Alexander nähert sich der eindrücklichen Kolonne zunächst zu Pferd,
erblickt dann den vierbuchstabigen Gottesnamen, den der Hohepriester in Gold geritzt
auf dem Kopf trägt, steigt sogleich vom Pferd und fällt anbetend auf die Knie.^ Wohl-
gemerkt hat sich Alexander nicht vor dem Hohepriester, sondern allein vor dem Na-
men des Allmächtigen in den Staub geworfen.^ Er anerkennt Jaddus aber als recht-
mäßigen Vertreter dieses höchsten Gottes und lässt sich von ihm den salomonischen
Tempel zeigen; dort bringt Alexander eigenhändig Opfer dar und freut sich über die
Prophezeiung aus dem Buch Daniel, die Jaddus auf den Welteneroberer Alexander be-
zieht. Dazu beschenkt Alexander die Juden reich, gewährt ihnen sämtliche Bitten, da-
runter auch steuerliche Vorteile, und lässt einen Stadtverwalter in Jerusalem zurück.
Die Figur und vor allem das Ornat des Hohepriesters werden in vielen Bearbei-
tungen eindrücklich geschildert. Alexander respektiert Jaddus als ponfz/ex des wahren
Gottes und behandelt ihn entsprechend. Dank seines Autorität verbreitenden Aufzugs
vermochten Jaddus und sein Gefolge, das Geschick ihrer Stadt zu begünstigen. Die At-
traktivität der Szene lag für einen mittelalterlichen Bearbeiter sicherlich im Moment der
Gotteserkenntnis des heidnischen Alexanders. In vorchristlicher Zeit ist die Erkennt-
nis des wahren Gottes allerdings allein in Jerusalem möglich, was der Stadt eine einzig-
artige Stellung verleiht. In dieser Intention erzählte bereits Flavius Josephus die Episode
in ihren wesentlichen Elementen,^ ein mittelalterlicher Bearbeiter konnte sie problemlos
übertragen und in sein christliches Weltbild integrieren.
Vgl. STEFFENS, Die Historia de Preliis, S. 34,29f.: [...] ei proz'ecz'i se de cc;no ;'n ienwH ei nomcn dez,
zyzzod scn)7iM77z uz'de7*ai, ado7*auz't.
Ebd., S. 36, 4: Nozz izzzzzc sed dezzzzz, czzz'zzs pozziz/z'czzizz izz'cyzzzz^z'izzr, ado7*auz.
Vgl. dazu MARCEL SIMON, Alexandre le Grand, Juif et Chretien, in: Recherches d'Histoire
Judeo-Chretienne, Paris 1962, S. 127-139.
Flavius Josephus, Antiquitates XI 8, 5. Zu griechischen Erzählungen von Alexanders Besuch
in Jerusalem vgl. PFISTER, Eine jüdische Gründungsgeschichte Alexandrias, S. 22-30.
III. Jüdische Gelehrtenfiguren in der mittelhochdeutschen Literaur
wir heute nur deswegen kennen, weil sie von mittelalterlichen Übersetzern und Dich-
tern als geeignete Figur erachtet wurde, um Alexander zu belehren. Mardochai kann
allerdings aufgrund der Textanlage - einem monologischen Brief ohne narrative Rah-
mung - als Figur nicht dasselbe Gewicht entwickeln wie der alte Jude in der Straß-
burger Fortsetzung des Alexanderliedes. Inhaltlich jedoch übertrifft er Papas an Aus-
sagegehalt und Länge bei Weitem, während ihrer beider Schonungslosigkeit und
Eindringlichkeit in der Schilderung der menschlichen Hinfälligkeit vergleichbar ist.
111.1.2.2 Jaddus zeigt Alexander den wahren Gott
Eine dritte und letzte jüdische Figur im Alexanderstoff, die hier aber nur kurz und oh-
ne auf die zahlreichen Überlieferungsvarianten einzugehen besprochen werden kann,
findet sich mit dem Jerusalemer Hohepriester Jaddus. Dem Hohepriester erscheint
kurz vor dem Einmarsch Alexanders im Traum ein Engel, der ihm befiehlt, keine Angst
zu haben und dem Eroberer in vollem Habit und mit weiß gekleideten Priestern entge-
gen zu ziehen. Alexander nähert sich der eindrücklichen Kolonne zunächst zu Pferd,
erblickt dann den vierbuchstabigen Gottesnamen, den der Hohepriester in Gold geritzt
auf dem Kopf trägt, steigt sogleich vom Pferd und fällt anbetend auf die Knie.^ Wohl-
gemerkt hat sich Alexander nicht vor dem Hohepriester, sondern allein vor dem Na-
men des Allmächtigen in den Staub geworfen.^ Er anerkennt Jaddus aber als recht-
mäßigen Vertreter dieses höchsten Gottes und lässt sich von ihm den salomonischen
Tempel zeigen; dort bringt Alexander eigenhändig Opfer dar und freut sich über die
Prophezeiung aus dem Buch Daniel, die Jaddus auf den Welteneroberer Alexander be-
zieht. Dazu beschenkt Alexander die Juden reich, gewährt ihnen sämtliche Bitten, da-
runter auch steuerliche Vorteile, und lässt einen Stadtverwalter in Jerusalem zurück.
Die Figur und vor allem das Ornat des Hohepriesters werden in vielen Bearbei-
tungen eindrücklich geschildert. Alexander respektiert Jaddus als ponfz/ex des wahren
Gottes und behandelt ihn entsprechend. Dank seines Autorität verbreitenden Aufzugs
vermochten Jaddus und sein Gefolge, das Geschick ihrer Stadt zu begünstigen. Die At-
traktivität der Szene lag für einen mittelalterlichen Bearbeiter sicherlich im Moment der
Gotteserkenntnis des heidnischen Alexanders. In vorchristlicher Zeit ist die Erkennt-
nis des wahren Gottes allerdings allein in Jerusalem möglich, was der Stadt eine einzig-
artige Stellung verleiht. In dieser Intention erzählte bereits Flavius Josephus die Episode
in ihren wesentlichen Elementen,^ ein mittelalterlicher Bearbeiter konnte sie problemlos
übertragen und in sein christliches Weltbild integrieren.
Vgl. STEFFENS, Die Historia de Preliis, S. 34,29f.: [...] ei proz'ecz'i se de cc;no ;'n ienwH ei nomcn dez,
zyzzod scn)7iM77z uz'de7*ai, ado7*auz't.
Ebd., S. 36, 4: Nozz izzzzzc sed dezzzzz, czzz'zzs pozziz/z'czzizz izz'cyzzzz^z'izzr, ado7*auz.
Vgl. dazu MARCEL SIMON, Alexandre le Grand, Juif et Chretien, in: Recherches d'Histoire
Judeo-Chretienne, Paris 1962, S. 127-139.
Flavius Josephus, Antiquitates XI 8, 5. Zu griechischen Erzählungen von Alexanders Besuch
in Jerusalem vgl. PFISTER, Eine jüdische Gründungsgeschichte Alexandrias, S. 22-30.