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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0026

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2. Vom Senat des Papstes
zum Rat der Kardinale

2.1. Die Bedeutung der Kardinalsunterschriften

2.1.1. Forschungsstand und offene Fragen
Bevor die Kardinalsunterschriften auf Papsturkunden hinsichtlich der Frage
nach der Beteiligung der drei Ordines des höheren römischen Kardinalklerus
an der Regierung der römischen Kirche ausgewertet werden können, muss zu-
nächst einmal geklärt sein, ob und inwiefern die Unterschriften überhaupt den
Mitarbeiter- bzw. Beraterkreis des Papstes widerspiegeln. Geklärt sein muss,
wer von den Kardinalklerikern aus dem höheren römischen Bischofsklerus zu
dieser Zeit jeweils eine bestimmte Papsturkunde unterschrieb bzw. in welchem
Verhältnis die unterschreibenden Personen zu der Entscheidung standen, die
in der jeweiligen Urkunde niedergelegt wurde. Ebenso sollte bekannt sein, was
derjenige, der eine Papsturkunde unterfertigte, mit seiner Unterschrift zum
Ausdruck bringen wollte.
In der Geschichtswissenschaft der letzten 120 Jahre sind diesbezüglich im-
mer wieder höchst unterschiedliche Meinungen geäußert worden. So hielt es
Harry Bresslau für wahrscheinlich, dass die Unterschriften im 12. Jahrhundert
wenigstens dann, wenn es sich bei den Privilegien nur um die Bestätigung
schon vorhandener Rechte und Besitzungen handelte, in den meisten Fällen
zu einer »bloßen Formalität ohne eigentliche Bedeutung« geworden waren;
denn von einer sachlichen Beratung im Konsistorium oder einer förmlichen
Zustimmung der Kardinäle habe man die Ausstellung solcher Privilegien wohl
nicht abhängig gemacht. Etwas anderes sei mit Sicherheit nur in denjenigen
Fällen anzunehmen, in denen die Formulierung der Unterschriften eindeutig
darauf hin weise, dass die Kardinäle der päpstlichen Entscheidung förmlich zu-
stimmten." Ähnlich sah auch Johann Baptist Sägmüller den Sinn einer Unter-
schrift nur dann sicher in der Zustimmung, wenn dies in ihrer Formulierung
zum Ausdruck komme. Davon abgesehen schwanke die Bedeutung der Un-
terschriften zwischen der Bezeugung des Rechtsinhalts der Urkunde und der
Zustimmung zu diesem/"
Dem hielt Jürgen Sydow entgegen, dass wichtige päpstliche Entscheidun-
gen nach den Berichten der erzählenden Quellen sowie den zahlreichen Klagen
über die Arbeitslast der Kurie durchaus nach Beratungen mit den Kardinälen

39 BRESSLAU, Urkundenlehre 11/1, S. 55.
40 SÄGMÜLLER, Thätigkeit, S. 216.
 
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