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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0354

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3.14. Entwicklungslinien und Wegetappen bei der Papstwahl

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anerkannt wurde, die Einmütigkeit derselben.^ Eine einmütige Wahl aber
war nur zu erreichen, wenn sich die wichtigsten Wähler gruppen einigten, und
d. h., wenn man einmal von der besonderen Rolle des römischen Adels absieht,
die Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone, also der höhere
römische Bischofsklerus. Dieser Zwang zum Konsens aber musste die Durch-
setzung einer einzelnen Gruppe, wie sie im Papstwahldekret vorgesehen und
bis zu einem gewissen Grad auch Teil des Führungsanspruchs der Kardinal-
priester und Kardinaldiakone war, tendenziell verhindern - und im Gegen-
zug die Angleichung der Gewichte befördern. Das wibertinische Schisma und
die fortdauernde Krisensituation des gregorianischen Papsttums haben die-
se Tendenzen sicherlich verstärkt - genauso wie sie das hinsichtlich des Be-
ratungsgremiums des Papstes taten. Zudem war eine Durchsetzung gegenüber
dem jeweiligen Konkurrenten auf dem Papstthron nur möglich, wenn man
die Titel- und Diakoniekirchen Roms und die mit den Kardinalpriestern und
Kardinaldiakonen verbundenen Adelsfamilien auf seine Seite ziehen konnte.^
Nicht zuletzt dürfte es aber auch die zunehmende gemeinsame Einbeziehung
in die Regierung der Kirche gewesen sein, die eine Angleichung der Rollen der
Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone bei den Papstwahlen
gefördert hat.^ Die Entwicklung läuft nicht zufällig parallel. Zugleich fiel die
ursprüngliche Motivation für eine Bevorzugung der Kardinalbischöfe bei der
Papstwahl in dem Maße weg, in dem auch die Ordines der Kardinalpriester
und Kardinaldiakone von der Kirchenreform erfasst wurden.^"

3.14.3. Die theoretische Diskussion um die Einfluss-
verteilung im engeren Kreis der Papstwähler
Nun würde diese Darstellung aber unvollständig bleiben, wenn der tatsäch-
lichen Entwicklung der Einfluss Verteilung im inneren Wähler kreis nicht auch
die theoretische Diskussion darüber gegenübergestellt würde - eine Diskussi-
on, die ihrerseits interessante Aspekte zur Entstehungsgeschichte des Kardinal-
kollegiums liefert. Auf der einen Seite steht hier in der Mitte des 11. Jahrhun-
derts das Papstwahldekret von 1059 mit der Zuweisung des Vor Wahlrechts bei
der Papstwahl an den Ordo der Kardinalbischöfe. So sehr dieses Dekret aber
in seiner Zeit hohe Wellen geschlagen hat, so gering war die Rolle, die das
Vorwahlrecht der Kardinalbischöfe in der Argumentation zugunsten oder ge-

1077 Zur Bedeutung der tumnAizTzs gerade bei den Papstwahlen vgl. oben die Artm. 362 und 745
und allgemein die beschriebenen Papstwahlen, aber auch die zentrale Wahlbestimmung des
Papstwahldekrets von 1059, nachdem zur Wahl durch die Kardinalbischöfe und Kardinal-
kleriker noch Klerus und Volk hinzutreten sollten, so dass sich alle Wählergruppen einmütig
für einen Kandidaten entschieden.
1078 Zu den verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Kardinalklerus und römischem Adel
und der Beobachtung, dass die Kardinalpriester und Kardinaldiakone einer bestimmten Re-
gion Roms auffällig oft der gleichen Partei angehörten wie der dort einflussreiche römische
Adel Anm. 429.
1079 Ähnlich SCHMALE, Schisma, S. 85.
1080 Ebd.
 
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