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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0180

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3.2. Die Wahl Viktors III. (24. Mai 1086)

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ganz allgemein die Zunahme der päpstlichen Synoda Tätigkeit/^* schließlich
die zunehmende Bearbeitung von Nachfragen im Senat des Papstes/^ die Kir-
chenreform an sich - all das veränderte das Gefüge der römischen Kirche und
schuf eine Vielzahl von Reibeflächen. Besonders der hohe römische Klerus bzw.
der Bischofsklerus war davon betroffen, stand mitten in diesem Umbruch. In-
dem sich die Aufgaben der einzelnen Klerikergruppen veränderten, die kuriale
Verwaltung um- und ausgebaut wurde, indem einige Gruppen an Bedeutung
gewannen, andere verloren, wuchsen auch die Spannungen, suchte man sich
in der sich beschleunigenden Entwicklung neu zu positionieren, den Rang zu
wahren, alte Rechte zu sichern und neue zu beanspruchen. Die Bevorzugung
der Kardinalbischöfe bei den Papstwahlen und noch mehr die als zu gering
empfundene Einbeziehung in die Regierung der Kirche musste hier im Beson-
deren als Bezugspunkt für die Kritik bzw. die Ansprüche der Kardinalpriester
und Kardinaldiakone als die selbstbewussten Spitzenränge des Kardinalklerus
bzw. des römischen Klerus insgesamt dienen, hinter denen wiederum zugleich
die mit ihnen eng verbundene römische Oberschicht stand. Die Papstwahlen
dieser Jahrzehnte sind insofern auch ein Gradmesser dieser Spannungen.

3.2. Die Wahl Viktors III. (24. Mai 1086)
Als Gregor VII. am 25. Mai 1085 in Salerno im Exil starb, befand sich das grego-
rianische Papsttum in einer schweren Krise Die Stellung Heinrichs IV. war
seit seiner erneuten Bannung auf der Fastensynode im März 1080 immer stär-
ker geworden. Im März 1084 schließlich konnte der Salier nach langer Belage-
rung in die Stadt Rom einziehen. Gregor VII. wurde »durch das rechtmäßige
Urteil aller cardmaUs und des ganzen römischen Volkes«^ abgesetzt und an
seiner Stelle Erzbischof Wibert von Ravenna als Clemens III. zum Papst erho-
ben. Clemens hatte es zuvor vermocht, einen großen Teil des römischen Adels
ebenso wie des - mit dem Regierungsstil Gregors VII. unzufriedenen - römi-

484 Zur päpstlichen Synode in der Zeit der Kirchenreform und der Veränderung ihrer Rolle
ScHRÖR, Metropolitangewalt, S. 99-111, 144—146, 202-204, GRESSER, Synoden und Konzilien,
DERS., Ekklesiologie, DERS., Päpstliche Synode, LAUDAGE, Ritual.
485 Vgl. zuletzt BECKER, Urban II., Bd. III, S. 119,126.
486 Zur Krise am Ende des Pontifikats Gregors VII. und der Situation bei dessen Tod u. a. ZiESE,
Wibert, bes. S. 54—107, CowDREY, Desiderius, S. 177-181, CowDREY, Gregory VII, bes. S. 194—
241, GoEz, Kirchenreform, S. 137-142, RoBiNSON, Henry IV, 211-235, ALTHOFF, Heinrich IV.,
S.178-195.
487 Brief Heinrichs IV. an Dietrich von Verdun, ed. ERDMANN, Briefe Heinrichs IV., n. 18, S. 28,
Z. 6-8: Quem H;Md;randMm Ugah om?i;MM cardmahMm ac foü'MS popMÜ Roman; ;Md;c;o sdas aNoc-
fMM. Dass mit den carchnaUs nur die Kardinalpriester gemeint waren, wie ZiESE, Wibert, S. 89
mit Anm. 45, annimmt, möchte ich bezweifeln. Schließlich war der Begriff cardmaies auf der
königlichen Seite in den davorhegenden Jahren immer wieder pauschal und unbestimmt für
die Spitze des römischen Klerus verwendet worden (vgl. JASPER, Papstwahldekret, S. 81f.),
und ein Anspruch der Kardinalpriester, die Papstwahl allein vornehmen zu dürfen, existierte
nicht (vgl. das vorherige Kapitel).
 
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