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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0181

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3. Wahlrecht des Kardinalkollegiums

sehen Klerus auf seine Seite zu bringen.^ Gregor selbst war in der Engelsburg
belagert worden und hatte sich nur mithilfe normannischer Truppen befreien
können. Da es in diesem Zusammenhang jedoch zu Plünderungen und Zer-
störungen durch die Normannen gekommen war, hatte er sich aus Rom ganz
zurückziehen müssen. Ein Teil seiner Anhänger war mit ihm nach Salerno ge-
zogen, ein anderer Teil in Rom zurückgeblieben. Während der Sieg Mathildes
von Tuszien über ihre oberitalienischen Gegner am 2. Juli 1084 die Situation
des Reformpapsttums ein wenig verbesserte, verschärfte sich die Lage aus
Sicht der gregorianischen Partei nach dem Tod Robert Guiscards am 17. Juli
1085 wieder, brachen nun doch Spannungen unter den einzelnen Normannen-
fürsten aus, die den Rückhalt für das gregorianische Lager in Frage stellten.
Kurz vor seinem Tod hatte Gregor unter seinen letzten Verfügungen die
Designation mehrerer potentieller Nachfolger ausgesprochen: Bischof Anselm
von Lucca, Kardinalbischof Odo von Ostia und Erzbischof Hugo von Lyon
wurden von ihm benannt, wie es eine als sogenanntes Testament Gregors be-
kannte Aufzeichnung der Äußerungen des Papstes in dessen letzten Wochen
festhältd^ Die Gespräche über die Wahl eines neuen Papstes setzten bereits
unmittelbar nach Gregors Tod ein, zogen sich aber letztendlich fast ein Jahr hin,
bevor Abt Desiderius von Montecassino, Kardinalpriester von S. Cedlia und
Senior dieses Ordo, am 24. Mai 1086 als Viktor III. zum Papst erhoben wurde A"
Die Hauptquelle für diese Ereignisse ist die Chronik von Montecassino, und
sie gibt zugleich als einzige ausführlicher Kunde von der Wahl des Abtes zum
Bischof von RomA^

488 Zu Clemens III. und seiner Erhebung KÖHNCKE, Wibert, KEHR, Geschichte Wiberts, ZiESE,
Wibert, bes. S. 81-94, DoLciNi, Clemente III.
489 Zum sogenannten Testament Gregors VII. und seiner Überlieferung u. a. CowDREY, Death-
Bed Testaments, bes. S. 707-712, DERS., Desiderius, S. 181-185, DERS., Gregory VII, S. 678-682,
BLUMENTHAL, Gregor VII., S. 329-331, und HÜBiNGER, Letzte Worte. - Zu Odo von Ostia PAu-
LOT, Pape, SCHUMANN, Legaten, S. 52-59, BECKER, Urban II., HÜLS, Kardinale, S. 102f., n. 5, CER-
RiNi, Art. Urbano II. - Zu der in der Chronik von Montecassino und anderswo überlieferten
angeblichen Designation des Abtes Desiderius von Montecassino, der dann als Viktor III. tat-
sächlich den Papststuhl bestieg, PncHE, Election d'Urbain, S. 356-380, CowDREY, Desiderius,
S. 182-184. Zur Praxis der Designation eines Nachfolgers durch den Bischof von Rom in dieser
Zeit allgemein: HoLDER, Designationen, sowie zuletzt ScHiMA, Papsttum, mit allerdings oft
spekulativer Quelleninterpretation.
490 Zur Person Desiderius' von Montecassino und seiner Erhebung zum Papst FncHE, Crise, bes.
S. 169-176, DERS., Pontificat, HmscH, Desiderius, bes. S. 91-94, MEYER voN KNONAu, Jahrbücher
IV, S. 153-157,177-183, RoNY, Election, FncHE, Reforme III, S. 195-202, MARTENS, Besetzung,
S. 244—253, LouD, Abbot, HÜLS, Kardinale, S. 154—157, n. 1, GussoNE, Thron, S. 246-249,
CowDREY, Desiderius, bes. S. 177-206, RoBiNSON, Papacy, S. 60f., GuDE, y&'k's, CoLOTTO, Art.
Vittore III, DE RosA, Vittore III, S. 69-109. - Desiderius' Stellung als Archipresbyter wird über-
liefert in der Chronik von Montecassino III, c. 65, S. 447, Z. 8, sowie bei Deusdedit, Libellus
contra invasores, c. 2,12, S. 330, Z. 24.
491 Chronik von Montecassino III, c. 65f., S. 447-449. Die Entstehungsgeschichte dieses Teils der
Chronik ist unklar. Die Darstellung der Erhebung Viktors III. fällt nämlich nicht mehr in jenen
ersten Teil, den Leo Marsicanus bis zu seinem Tod im Jahr 1115 verfasst hatte, sondern in den
folgenden, der vermutlich von Guido bis zu seinem Tod um 1130 niedergeschrieben und von
Petrus Diaconus im Jahr 1140 überarbeitet und verändert wurde und für den die Fragen nach
Autorschaft, Textgeschichte und historischer Zuverlässigkeit immer noch nicht vollständig
 
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