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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0084

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2.2. Auswertung der Unterschriftenlisten

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Kardinalbischöfe im regulären Sinne einstufen 3^ Offensichtlich herrschte an
der Kurie in diesen fahr zehnten der Brauch, Bischöfe benachbarter, der Kirche
von Rom direkt unterstellter Bistümer bei Bedarf als »Aushilfskardinalbischöfe«
heranzuziehen, um das nicht vollständig besetzte Kollegium der Kardinal-
bischöfe »aufzufüllen«. Dies geschah vor allem dann, wenn eine derartige Situa-
tion in ein Papstschisma oder eine andere schwierige Zeit fiel und die Kurie es
für nötig hielt, ihre Position durch möglichst viele »Kardinalbischöfe« zu stär-
ken, wie beispielsweise 1099 bei der Weihe Paschalis' II. durch Offo von Nepi
als siebtem »Kardinalbischof«, der Unterschrift Manfreds von Tivoli unter das
Wahldekret der Wahlversammlung in Rom am 1. März 1119, der Nennung des
Transmundus von Segni im Schreiben der Anhänger Anaklets II. vom Mai 1130
an Lothar III. oder der Anwesenheit von sieben römischen Bischöfen auf dem
Konzil von Pisa 1135, darunter mit Transmundus von Segni, Petrus von Civita
Castellana, Rudolf von Orte und Guido von Tivoli vier Bischöfe, die meiner
Ansicht nach nur als »vertretende« Kardinalbischöfe einzuordnen sind 3^ Meist
sind die entsprechenden Bischöfe anschließend an der Kurie nicht mehr oder
nur noch sehr selten in »kardinalizischer« Funktion belegt. Aber selbst die ver-
gleichsweise intensive Hinzuziehung Rudolfs von Orte und mehr noch die
Guidos von Tivoli im anaklehanischen Schisma führte offensichtlich nicht dazu,
dass jene in den Status eines »regulären« Kardinalbischofs hinüberwechselten.
Dies zeigt sich unter anderem daran, dass sie im Vergleich zu den Kardinal-
bischöfen immer noch vergleichsweise selten Unterzeichneten und dies noch
dazu in der Rangordnung der Unterschriften unterhalb von jenen, selbst wenn
Letztere erst lange nach den ersten »kardinalbischöflichen« Aktivitäten Guidos
oder Rudolfs zum Kardinalbischof geweiht wurden3^

223 Zur Einstufung Offos und Benedictus' von Nepi, Manfreds von Tivoli sowie Transmundus'
von Segni HÜLS, Kardinale, S. 99,130,137, sowie KLEwiTz, Entstehung, S. 40-43, zu der Guidos
von Tivoli und Rudolfs von Orte BRixius, Kardinalkollegium, S. 34, n. 18, SCHMALE, Schisma,
S. 50, DA BERGAMO, Duplice elezioni, S. 289, HÜLS, Kardinale, S. 138, n. 4, ZENKER, Kardinal-
kollegium, S. 51f., REUTER, Anerkennung, S. 415, Anm. 92.
224 Vgl. dazu jeweils die Quellenbelege bei HÜLS, Kardinale, S. 99, 130, 137, zur Konsekration
Paschalis' und der Rolle Offos als Widerpart zum wibertinischen Kardinalbischof Adalbert
von Nepi außerdem KLEwiTz, Entstehung, S. 40-43, zur schwierigen Situation zu Beginn des
Pontifikats Calixts II. im Folgenden das seiner Wahl gewidmete Kapitel und zum Konzil von
Pisa 1135 MALECZEK, Kardinalskollegium unter Innocenz II. und Anaklet II., S. 54, Anm. 108.
225 Guido Unterzeichnete vor 1130 nur viermal (1125 und 1126) eine Papsturkunde und tat dies
auch unter Innocenz nach den von mir ermittelten Urkunden mit Kardinalsunterschriften in
zehn Jahren nur siebenundzwanzigmal, während die sonstigen Kardinalbischöfe nach 1130
allein pro Jahr durchschnittlich etwa vierzehnmal unterschrieben. Gegen seine Zugehörigkeit
zum Ordo der Kardinalbischöfe spricht außerdem, dass ein verlorener Brief der Kardinal-
bischöfe Papst Innocenz' II. an ihren Amtsbruder Petrus von Porto nur von Wilhelm von
Preneste, Matthäus von Albano, Conradus von Sabina und Johannes von Ostia verfasst wur-
de, wie sich aus der Antwort Petrus' von Porto erschließen lässt, die dementsprechend auch
nur an diese vier adressiert ist. Dies ist um so auffälliger, als Petrus den Bischof von Tivoli
in diesem Brief sogar als Autor einer Propagandaschrift für Innocenz erwähnt, dabei aber in
keiner Weise als Mitbruder im Kardinalklerus bzw. im Ordo der Kardinalbischöfe anspricht
(überliefert bei Wilhelm von Malmesbury, Historia Novella I, c. 6, S. 14 und 16). Allerdings
waren an der Wahl Innocenz' auch nur diese vier beteiligt, wie dessen Wahlanzeigen zei-
gen. Doch selbst Boso erwähnt in seinen Gesten Innocenz' II. allein diese vier als diejenigen
 
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