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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0114

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2.3. Zusammenführung: Die Entwicklung des päpstlichen Senates

113

sogar bei nahezu 100%, bezieht man ihn nicht auf die Gesamtzahl der Kardinal-
kleriker Innocenz' II., sondern auf die Zahl derer, die ihm in dieser Zeit tatsäch-
lich zur Verfügung standen. Das aber heißt nun nichts weniger, als dass Innocenz
jeweils mehr oder weniger alle Mitglieder des höheren römischen Kardinal-
klerus einbezog, die an der Kurie gerade verfügbar waren. Eine solch intensive
Einbeziehung der Kardinalkleriker hatte aber zur Folge, dass die Unterschiede
zwischen den Ordines hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Beratung und ihrer
Mitarbeit an der Kurie mit Beginn des Schismas fast völlig verschwanden. Mit
einem Mal wurden nun auch die Kardinaldiakone gleichberechtigte Mitglieder
des entstehenden Kardinalkollegiums. Jeder, ob Kardinaldiakon, Kardinalpriester
oder Kardinalbischof wurde nun in etwa gleich häufig in die Regierung der
Kirche einbezogen. Allein die Kardinalbischöfe konnten sich einen gewissen
Vorrang bewahren. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung verwundert es
nicht, dass auch die Verdrängung anderer Personengruppen aus dem Senat des
Papstes weiter voranschritt. Subdiakone des römischen Bischofsklerus oder an-
dere römische Kleriker sind in diesen ersten Jahren des Schismas überhaupt
nicht mehr in den Unterschriften der Papsturkunden fassbar. Der schon sehr
kleine Anteil der auswärtigen Bischöfe ging weiter zurück.
Ganz entscheidend ist aber, dass es sich bei den gerade beschriebenen
Entwicklungen um keine vorübergehende Erscheinung handelte. Die Verän-
derungen wurden nach dem Ende des anakletianischen Schismas nicht zu-
rückgenommen, sondern behielten auch in der zweiten Hälfte der Amtszeit In-
nocenz' II. ihre Gültigkeit. Wesentliche neue Schritte wurden zwar nicht mehr
unternommen, die Lage war aber durch eine weitgehende Stabilisierung ge-
kennzeichnet. Ein deutliches Zeichen hierfür ist, dass die Zahl der Kardinals-
unterschriften gegenüber dem Durchschnittswert unter Honorius weiter an-
stieg. Die Tendenz, immer mehr Personen dieser Ordines in die päpstliche
Regierung einzubeziehen, setzte sich also ungebrochen fort. Da zugleich die
Zahl der Kardinalkleriker dieser drei Ordines vor allem ab 1136 und noch mehr
seit 1139 wieder deutlich anstieg, sank allerdings auf der anderen Seite der
Anteil der durchschnittlich Einbezogenen. Diese Absenkung war jedoch nur
eine leichte. Bezogen auf die Zahl der Kardinalkleriker, die Innocenz II. in Rom
tatsächlich zur Verfügung standen, lag der Anteil der jeweils Hinzugezogenen
nämlich auch in den letzten Jahren Innocenz' II. immer noch bei ca. 60-75%
- und dies war bei der zunehmenden Häufigkeit, in der die Kurie von Bittstel-
lern aus aller Herren Länder aufgesucht und vor allem als Gerichtshof ange-
rufen wurde, ein hoher Wert. Die leichte Absenkung des Einbeziehungsgrades
wird so lediglich den nötigen Raum für eine Normalisierung der Verhältnisse
bzw. zur Bewältigung dieses Ansturms geboten haben. Die Kardinalkleriker
mussten nicht mehr jedes Mal vollzählig erscheinen, sondern konnten einan-
der auch abwechselnd^ Wichtig ist aber vor allem, dass die Absenkung des An-
teils der durchschnittlich Einbezogenen an der Gesamtzahl der Kardinalkleri-
ker nicht einseitig zu Lasten eines bestimmten Ordo ging. Die mit dem Beginn

298 Die Notwendigkeit, Präsenz zu demonstrieren, war nach der Durchsetzung der innocentiani-
schen Kurie gegenüber Anaklet auch nicht mehr in dem Maße geboten.
 
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