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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0118

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2.3. Zusammenführung: Die Entwicklung des päpstlichen Senates

117

Hier wurden die neuen Mitglieder gewissermaßen in Wartestellung »geparkt«
und »herangezogen«
Noch eine zweite, die Kurie prägende Entwicklung soll an dieser Stelle
angesprochen werden: die massiv zunehmende kuriale Geschäftstätigkeit
nach dem Ende des anakletianischen Schismas. Am deutlichsten wird diese
Entwicklung am Wachstum des Urkundenausstoßes sichtbar. Waren es im
Schisma ähnlich wie unter Honorius II. noch 4-5 Urkunden pro Monat, so
schnellen diese Zahlen ab 1138/39 auf 22-24 empor 7°^ Parallel dazu wuchs die
Zahl der Prozesse, die vor die Kurie gebracht bzw. vom Papst an sie gezogen
wurden. Für diese Entwicklung hatte Innocenz II. selbst gesorgt, indem er die
Funktion der Kurie als Gerichtshof ausbaute, die Appellation an die römische
Kirche förderte und dazu mahnte, nm/orcs dem apostolischen Stuhl zu
überlassen.^ Diese ganze Entwicklung aber musste zur Folge haben, dass die
römischen Kardinalkleriker in davor nicht gekannter Häufigkeit als Berater
und Mitarbeiter des Papstes an die Kurie gezogen wurden. Gerade im Rah-
men der vielen Prozesse war der Papst auf ihre Unterstützung angewiesen.
Das aber heißt, dass die Kardinalkleriker unter Innocenz II. nicht nur in immer
größerer Zahl und erstmals ungeachtet der Ordineszugehörigkeit etwa gleich
intensiv in die Mitarbeit an der Kurie eingebunden wurden, sondern nun auch
regelmäßig und immer häufiger, ja in großer zeitlicher Dichte. Feierliche Privi-
legien mit Kardinalsunterschriften wurden nach meiner Zählung in den Jahren
1139-1142 alle 5,8 Tage ausgestellt. Berichte von der Arbeitslast der Kurie gibt
es ebenso schon seit dem Ende des Pontifikats Innocenz' 11.^ Ein Reflex der in-
tensiven Einbeziehung der Kardinalkleriker ist aber auch das häufige Vorkom-
men der Formel & yhzhüo? noshonim cons/üo in der zweiten Pontifikatshälfte
Innocenz' IlA'^ Anders als unter Honorius II. wurde die Beratung des Papstes
damit zur beherrschenden Aufgabe im Lebensalltag dieser Personengruppe,
und die Zusammenarbeit mit dem Papst im Konsistorium wie im internen
»Rat der Kardinäle« zur prägenden Erfahrung. Die Selbstdefinition als Mit-
glied eines Ordo an der Spitze des römischen Klerus aber musste damit immer
mehr der Selbsterfahrung als Mitglied eines einheitlichen Kollegiums weichen.
Auch wenn ein solcher Entstehungsprozess naturgemäß kein Fixdatum kennt,
an dem er abgeschlossen ist, so spricht angesichts dieser Entwicklung in der

304 Vgl. die Einordnung der Kardinaldiakone in einen festen CMrsMS i;oMorMM an der Kurie, der
sich ab der Zeit Calixts II. immer deutlicher abzeichnet. So befanden sich unter Calixt und Ho-
norius unter je elf neu ernannten Kardinalpriestern fünf frühere Kardinaldiakone, während
im Pontifikat Innocenz' II. unter den 20 von ihm neu ernannten Kardinalpriestern elf bis zwölf
Kardinaldiakone waren; bei dem unsicheren zwölften handelt es sich um den Kardinaldiakon
Rainer säurte Romane eedesie, vgl. oben, Anm. 257.
305 HiESTAND, Leistungsfähigkeit, S. 9; unter Honorius II. waren es vier pro Monat, vgl. ebd., S. 23.
306 Zu dieser Entwicklung der Kurie unter Innocenz II. vgl. bes. MALECZEK, Kardinalskollegium
unter Innocenz II. und Anaklet II., S. 59-73, hier bes. S. 59f.
307 Vgl. SyDow, Consistorium, S. 169 mit Anm. 32. Auch der erste an der Kurie geführte Prozess,
über den ein ausführlicher Bericht vorliegt, datiert nicht zufällig aus den letzten Pontifikats-
jahren Innocenz' II., so MALECZEK, S. 66, unter Verweis auf die Edition bei MÜLLER, Bericht.
308 MALECZEK, Kardinalskollegium unter Innocenz II. und Anaklet II., S. 63.
 
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