Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0139

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
138

3. Vom Vorwahlrecht der Kardinalbischöfe ...

zwischen einem inneren und einem äußeren Wählerkreis allerdings nicht dazu
verführen, zu jeder Zeit eine klare Trennung zwischen beiden Wählerkreisen
vorauszusetzen und die Veränderungen im Verhältnis zwischen innerem und
äußerem Wählerkreis oder die Unterschiede in der Stellung der einzelnen
Gruppen innerhalb jedes der beiden Kreise zu übersehen.
Von dieser formellen Zuordnung der verschiedenen Wähler gruppen zum
inneren oder äußeren Wählerkreis zu unterscheiden ist ihr tatsächlicher Ein-
fluss, der sich im Extremfall sogar gewaltsam äußern konnte und damit die
geregelten Beteiligungsformen völlig verließ. Diese zweite Ebene ist vor al-
lem hinsichtlich des römischen Adels von Bedeutung. Eine dritte Ebene wird
sichtbar, wenn die schriftliche Darstellung einer Papstwahl durch bestimmte
Legitimationsstrategien verformt wird oder bestimmte Vorstellungen über
die Stellung, die einer bestimmten Gruppe bei der Wahl des Papstes eigent-
lich zukäme, die Beschreibung beeinflussen. Aus einer solchen Wahldarstel-
lung geht dann oft weder die genaue Abgrenzung des inneren Wählerkreises
(formelle Wahl) noch die tatsächliche Einflussverteilung hervor, sondern die
Legitimationsfähigkeit, die die Kurie oder ein anderer Autor den verschiede-
nen Wähler gruppen hinsichtlich der Papstwahl zubilligte - und, damit zusam-
menhängend, manchmal eben auch nur die Vorstellung des Autoren, welchen
Wählergruppen der Vorrang bei der Papstwahl gebührt. Alle drei Ebenen sind
im Folgenden, anders als es bisher oft geschieht, unbedingt auseinanderzu-
halten - genauso wie innerhalb der ersten Ebene der äußere und der innere
Wähler kr eis.
Im Rahmen der hier zu erörternden Fragen ist allein die erste Phase einer
Papstwahl von Belang: von den vorbereitenden formellen und informellen Ge-
sprächen - in denen man das weitere Prozedere und konkret den Wahlablauf
bzw. das Wahl verfahren besprach und oft bereits über einen Nachfolger des
verstorbenen Papstes diskutierte - bis zur Wahlversammlung, in der die Ent-
scheidung getroffen und verkündet wurde. So sehr auch die nachfolgenden
bzw. damit verbundenen Vorgänge wie die Inthronisation und Immantation
noch Teil der Wahl und so wichtig sie für die Legitimation des Gewählten wa-
ren: Die Entscheidung war mit der förmlichen Kür des Gewählten bereits ge-
fallen.^
Die Untersuchung der Papstwahlen setzt im Folgenden wiederum am Ende
des 11. Jahrhunderts ein, beginnend mit der Wahl Viktors III. im Jahre 1086 und
der Urbans II. 1088. Am Beginn soll somit wiederum das wibertinische Schisma
stehen, in dessen Verlauf sich nach herrschender Meinung das Kardinalkollegi-
um endgültig ausgebildet hat. Bewusst möchte ich so das Verhältnis bzw. das
Zusammenwirken von Kardinalbischöfen, Kardinalpriestern und Kardinal-
diakonen schon in dieser Phase betrachten, die nach bisherigem Kenntnisstand
für die Ausbildung des Kardinalkollegiums entscheidend war. Den Endpunkt
bildet der Papstwahlkanon Alexanders III. auf dem Dritten Laterankonzil von
1179, mit dem nicht nur eine sehr dynamische Papstwahlepoche beschlossen

366 Zu den zeremoniellen Aspekten des Erhebungsvorgangs und deren Veränderung vor allem
GussoNE, Thron.
 
Annotationen