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Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0219

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3. Wahlrecht des Kardinalkollegiums

naldiakon von SS. Cosma e Damiano erhoben wurde/'"' Pandulf verfasste diese
Gesten erst nach der Doppel wähl von 1130, und zwar nicht vor April 1133.""
Damit deutet sich auch schon die Problematik an, die mit diesen Gesten und
im Besonderen deren Wahldarstellung verbunden ist. Carl Fürst hat diese Pro-
blematik anhand der Wählerliste herausgearbeitet, die Pandulf für die Wahl Jo-
hannes' von Gaeta zusammengestellt hat. In dieser Liste nennt Pandulf auf der
einen Seite zwar nur vier von sieben Kardinalbischöfen, die zu dieser Zeit im
Amt waren,"" schützt auf der anderen Seite aber die Beteiligung der Kardinal-
priester und Kardinaldiakone aller bestehenden Titel- und Diakoniekirchen
vor, indem er nach der namentlichen Aufzählung von 21 Kardinalpriestern zu-
sammenfassend »sechs andere Kardinalpriester« und nach der namentlichen
Nennung von zehn Kardinaldiakonen »acht andere Kardinaldiakone« anführt,
obwohl zu dieser Zeit zwar sehr viele, aber nicht alle Titel- bzw. Diakonie-
kirchen mit Anhängern des Reformpapsttums besetzt waren."'" Wie Fürst zu
Recht ausführt, ist diese Vortäuschung einer vollständigen Beteiligung der
Ordines der Kardinalpriester und Kardinaldiakone auf die Bemühungen Pan-
dulfs zurückzuführen, in seinen Gesten die kanonische Papstwahl im Sinne der
Anakletianer darzustellen, nach denen nämlich das Papstwahlrecht vor allem
in den Händen der Kardinalpriester und Kardinaldiakone liege, gegenüber de-

610 Pandulf bezeichnet sich in Kapitel 20 dieser Gesten selbst als Autor: c. 20, S. 737, Z. 289f. Zu
Pandulf vgl. Artm. 602.
611 Vgl. jeweils in der Einführung zur Edition Liber Pontificalis, ed. DucHESNE, Bd. II, S. XXXVIf.,
Liber Pontificalis, ed. MARCH, S. 39, 52, 86-89, ebenso Liber Pontificalis, ed. PREROvsKY, Bd. I,
S. 121. Begründet wird diese Datierung damit, dass die feindliche Haltung, die Pandulf in den
Gesten Gelasius' II. gegenüber den Prangipani einnimmt, erst nach diesem Datum erklärbar
ist. So fielen die Prangipani nämlich im April 1133 zu Innocenz II. ab, nachdem sie zunächst
dessen Erhebung unterstützt, dann aber bereits wenige Wochen danach ins Lager Anaklets
übergegangen waren - und wurden fortan von den Anakletianern als meineidig betrachtet.
612 Vgl. HÜLS, Kardinäle, Bruno von Segni eingerechnet.
613 Gesta papae Gelasü, c. 9, S. 730f., Z. 100-112, c. 10, S. 731, Z. 113-120. - Wenn Pandulf auf
diese Weise alle 18 Kardinaldiakone (vgl. zur Ausbildung eines Kollegiums von 18 Kardinal-
diakonen Anm. 291), jedoch nur 27 Kardinalpriester als anwesend bezeichnet, obwohl die
Descriptio sanctuarii Lateranensis ecclesiae, S. 345, vom Anfang des 12. Jahrhunderts (zur
Datierung HÜLS, Kardinäle, S. 42) ihre Zahl mit 28 angibt, so ist das wohl lediglich ein Verse-
hen seinerseits. Dies wird auch dadurch nahe gelegt, dass die Abwesenheit des 27. Kardinal-
priesters von ihm ausdrücklich begründet wird: c. 9, S. 731, Z. 110-112. - Weitere Pehler bei
der namentlichen Aufzählung der an der Wahl Gelasius' II. angeblich beteiligten Kardinal-
priester und Kardinaldiakone kommen hinzu. So hebt PÜRST, Wähler, hervor, dass eine ganze
Reihe der genannten Kardinalpriester oder Kardinaldiakone erst von späteren Päpsten ge-
weiht worden seien, manche ihrer Kirchen zu dieser Zeit überhaupt nicht besetzt oder wiberti-
nisch, einige der genannten Personen sonst nicht bekannt, zumindest ein Name mit Sicherheit
unrichtig und zumindest einer von ihnen gerade auf Legation gewesen sei. Dagegen weist
jedoch HÜLS, Kardinäle, S. 63f., auf Basis seiner umfassenden prosoprographischen Untersu-
chungen eine ganze Reihe der von Pürst bemängelten Nennungen als zutreffende Angaben
nach. Die wenigen übrig bleibenden Pehler bei der namentlichen Aufzählung müssten dem-
entsprechend keine Verfälschungen sein, sondern könnten auf kleine Erinnerungsschwächen
zurückgeführt werden. Zu der Wählerliste Pandulfs vgl. auch SERVATius, Paschalis II., S. 42,
Anm. 1, PREROvsKY, Einführung in: Liber Pontificalis, ed. DERS., Bd. I, S. 90-93, und SCHILLING,
Calixt II., S. 554—556. Zur Besetzung der Titel- und Diakoniekirchen zur Zeit der Wahl Gelasi-
us' II. vgl. HÜLS, Kardinäle.
 
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