Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schludi, Ulrich; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Entstehung des Kardinalkollegiums: Funktion, Selbstverständnis, Entwicklungsstufen — Mittelalter-Forschungen, Band 45: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34761#0301

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
300

3. Wahlrecht des Kardinalkollegiums

sind. Wie weit die Entwicklung in diesen fast 30 Jahren vor an geschritten ist,
zeigt dabei bereits die Wahl Vereinbarung, die die Kardinale nach dem Tod Ha-
drians IV. am 1. September 1159 noch in Anagni abschlossen - im Wissen um
die Spannungen, die sich in ihren Reihen in Reaktion auf die gegen die ober-
italienischen Städte gerichtete Italienpolitik Friedrich Barbarossas entwickelt
hatten, aber auch im Angesicht des in den Monaten und Wochen zuvor immer
weiter eskalierenden Konflikts mit dem Staufer A" In diesem verpflich-
teten sich die Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone der rö-
mischen Kirche, über die Wahl des zukünftigen Papstes gemäß der Gewohn-
heit dieser Kirche zu verhandeln, nämlich aus ihrem Kreis einige Personen zu
bestimmen, die sich nach der Meinung jedes einzelnen erkundigen, diese erfor-
schen und genau aufzeichnen sollten, um so nach Möglichkeit eine einmütige
Wahlentscheidung zugunsten einer Person aus ihren Reihen herbeizuführen V
Gelänge dies nicht, sollte über eine Person außerhalb ihres Kreises verhandelt
werden. Wenn sie sich einträchtig auf eine solche einigen könnten, sei die Wahl
damit erledigt, wenn nicht, dürften weitere Schritte nur in gemeinsamer Über-
einstimmung erfolgen.^

920 Zur Entstehung dieser Spannungen im Kardinalkollegium vor allem MALECZEK, Papst und
Kardinalskolleg, S. 230-233, der zu Recht davor warnt, schon ab dem Vertrag von Benevent
1156 von einer klaren und starren Lagerbildung auszugehen, sowie REUTER, Papal Schism,
S. 19-22; zur älteren Literatur zu diesem Problem MALECZEK, S. 231, Anm. 158, vgl. zuletzt
aber auch RoBiNSON, Papacy, S. 78-80, und GÖRiCH, Ehre, S. 441f., Anm. 169. Zu dem sich in
den Monaten und Wochen vor dem Tod Hadrians IV. rapide verschlechternden Verhältnis
zwischen Kaiserhof und Papstkurie u. a. MACCARRONE, Papato e impero, S. 271-365, ZEiLLiN-
GER, Diplome, LAUDAGE, Alexander III., S. 97-102, GÖRiCH, Ehre, S. 118-126, DERS., Friedrich
Barbarossa, S. 316-321.
921 Ob sich allein die mit der Untersuchung des Wählerwillens beauftragten Personen - auf der
Basis ihres Nachforschens - einmütig auf einen Kardinal einigen sollten (so MALECZEK, Papst
und Kardinalskolleg, S. 233) oder alle versammelten Kardinäle (so DERS., Abstimmungsarten,
S. 114), geht aus dem pacfMM nicht hervor. Doch zeigen mehrere Quellen, die von der Einset-
zung dieser Personen berichten (siehe die folgende Anm.), dass deren Bemühungen nicht in
eine Abstimmung unter denselben, sondern in Wahlverhandlungen unter allen Kardinälen, in
denen man sich um eine einmütige Entscheidung bemühte, übergingen.
922 ln Momme Domdü Amen. CoMueMerMMf episcopi, presHYen, diarom eardmaies säurte Romane eccies;^
et promiserMMf sdd inoicem in oedw uenYaü's, (?Mod & dedione /ntnr; ponhji'ds frnddmnf secnncinm
consMdndinem isüns eedes;^, scdicef (?Mod segregenfnr dn?Me persona de eisdem /hdrdms, nndinnf
uoinnfafem singniornm et ddigenfer in^nirnnf ef Ji'dedYer deserdwnf, et, s; Dens dederd, (?nod concor-
dder possinf conuende de dnynn persona eornndem Ji'af enm &ono; sin aniem, fnnc fradefnr
de exfranea persona, ei si concordifer poierimns conuenire, ivne, sin aniem, nniins procedat sine com-
mon; eonsensn, et i;oc oiiseruefnr sine /n?Mde et ninio ingenio. (Brief der viktorinischen Kardinä-
le, Admonter Briefsammlung, n. 42, S. 86, Z. 1-10). - Zum engeren Entstehungskontext des
padnm vgl. den Brief der viktorinischen Kardinäle, ebd., S. 85, Z. 30-35; zum padnm allgemein
u. a. MACCARRONE, Papato e Impero, S. 341-347, MADERTONER, Papstwahl, S. 48-52, MALECZEK,
Papst und Kardinalskolleg, S. 233f., DERS., Abstimmungsarten, S. 114f., hier auch zur Iden-
tifizierung der geplanten Wahlform als Skrutinialverfahren, RoBiNSON, Papacy, S. 81f., LAu-
DAGE, Alexander III., S. 104-106. Die oben beschriebene Wahlvereinbarung findet sich nicht
nur wörtlich in dem gerade zitierten Brief der auf Seiten Viktors IV. stehenden Kardinäle von
Oktober 1159 überliefert, sondern ist ihrem Inhalt nach auch in einem Schreiben des Kapitels
von St. Peter an das Konzil von Pavia im Februar 1160 beschrieben (überliefert bei Rahewin,
Gesta Frederid IV, c. 76, S. 666, Z. 2-8) sowie in einer unvollständig erhaltenen anonymen
 
Annotationen