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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 4.1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.21527#0162

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«54

D. St. (gibt mir durch Zeichen zu verstehen, daß man dem Pen-
fionsverein nicht auch noch diese Last aufbürden könne).

Masaniello (tritt zu unS, und grüßt mich als Gestunungsg e-
noffen).

J ch. Guten Tag, Masaniello. Jst es wirklich wahr, daß euch der
König von Neapel verboten hat, die Londoner AuSstellung zu besuchen?
Das ist Schade. Neapel sollte seine monarchischen Zustände hinschicken,
als daS unübertroffene Erzeugniß einer großartigen Lazzaroni-Jndustrie.

Masaniello (im Vertrauen). Sehen Sie dort den Zimmermann,
wie er dem pappendeckelncn Besuv einen pulveristrten Frosch eingibt, damit
er im 5. Akt Feuer speien kann? — Jeder Neapolitaner ist ein solcher
Vesuv: man hat uns mit Pulver gespeist, und wir werden demnächst alle
als Speiteufel dastehen.

Jch. Mein lieber Masaniello, Sie scheinen mir sehr viel Aehnlich-
keit mit unserm deutschcn Michl zuhaben. —Derselbe hatte früher mehrere
Constituttonen, die er wie blutsverwandte Schwestern liebte: wenigstenS
hegte er die feste Ueberzeugunq, daß constitutlonelleS Blut in ihm walle.
Leider aber waren diese Schwcstern alle stumm; so hatten wir eine Stumme
von Münchcn, eine Stumme von Stuttgardt, die überdieß noch am § 89
litt; eine Stumme von Caffel, die aber hübsch war, und vom Militär
vielfach beschworen wurdc; eine Stumme von Karlsruhe, die jedoch seiner
Zeit einige nicht ganz unartikulirte Laute «on sich gab; cineStumme von
Berlin, mit Klauseln am ganzen Körper, mehr contrakt als Constitution.
Man sollte glauben, derlei Geschöpfe seien ohnedieß nicht zu beneiden,
aber dennoch schienen fie mehreren hohen Herren noch viel zu reizend; man
stellte ihnen nach, machte ihnen Zumuthungen — sie weigerten sich mit
verschiedenen constitutionellcn Zeichen; man verfolgte, raubte und setzte sie
hinter Schloß und Buiides-Riegei. Der allgemeine Unmuth steigerte sich
auf'S höchste, aber der gutgesinnte Michl sang:

„Haltet cuch still, und redet nicht viel,

Bleibt auf gesctzlichem Weg,

Rur so erreicht ihr euer Ziel."

Endlich brach aber die Revolution doch loS, die Freiheit siegte, und
Michl durfte auf dem alten parlamentarischen Theaterschimmel scinen Um-
ritt halte». Nachdem cr diese schiinmlige Art von Volkssouveränetät ge-
noffen, gewährte er dem AbsolutiSmus gastfrcunvlich ein Asyl in seiner
Hütte, und während drauffen Belagerungsstand war, legte sich die müee
Constitution auf leeres Stroh, wurde von der Ordnungspartei zug e-
deckt, und schlumnierte ein. Das Gothaer Nachparlament
war das Schlummerlied, welches von einigen Freunden der Senti-
mentalität für die schönste Nunimer in dcr ganzen Oper gehalten wird. 2n-
zwischen begann der Vesuv der Diplomatie unterirvisch zu arbeiteu, und
warf CentralgewaltS-Pech, Jntcrims-Schwefel und UnionSasche auS, machte
 
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