Bildnis einer jungen Griechin.
Tafel I.
Noch immer öffnen sich hellenische Gräber und schenken uns in ihren
Denkmalen menschliche Gestalten, die mit unmittelbarer Wirkung wieder in das
Leben treten. Auch das kürzlich nach Wien gelangte Bildnis einer jungen
Griechin, über dessen Fundumstände leider keine Nachricht vorliegt, gehört in
die stillen Reihen jener hellenischen Grabmale. Es ist kein gegenständlich
oder künstlerisch hervorragen-
des Stück, mit welchem diese
Zeitschrift ihren neuen Lauf be-
ginnt. Aber wie alle Arbeiten
jener glücklichen Zeit besitzt es
den Reiz ursprünglicher Frische,
und die Eigenart Seiner Form
macht es in mehr als einem
Sinne lehrreich.
Eine anmuthige Mädchen-
gestalt, nicht mehr Kind und zur
Jungfrau noch nicht erwachsen;
in der jugendlichen Tracht des
ungegürteten dorischen Chitons,
dessen Uberschlag auf den Ober-
armen zusammengeknöpft ist, so
dass sich Halbärmel zu bilden
scheinen; ohne einen andern
Schmuck als den natürlichen
des Haupthaares, welches voll
in den Nacken hinabfällt und
rig. I Bildnis einer jungen Griechin.
zierlich über der Stirne aufge-
wunden ist; in der einen Hand eine große Granatfrucht, mit der andern den
Lieblingsvogel an die Brust drückend, doch nicht spielend oder liebkosend mit
ihm beschäftigt, vielmehr mit einem leisen, durch die leichte Kopfneigung ver-
stärkten Zuge von Trauer im Gesicht den ernsten Blick verloren in die Ferne
richtend: als Ganzes wie in allen Einzelheiten gleicht die Erscheinung den
Jahreshefte des österr. arcbäol. Institutes Bd. I.
Tafel I.
Noch immer öffnen sich hellenische Gräber und schenken uns in ihren
Denkmalen menschliche Gestalten, die mit unmittelbarer Wirkung wieder in das
Leben treten. Auch das kürzlich nach Wien gelangte Bildnis einer jungen
Griechin, über dessen Fundumstände leider keine Nachricht vorliegt, gehört in
die stillen Reihen jener hellenischen Grabmale. Es ist kein gegenständlich
oder künstlerisch hervorragen-
des Stück, mit welchem diese
Zeitschrift ihren neuen Lauf be-
ginnt. Aber wie alle Arbeiten
jener glücklichen Zeit besitzt es
den Reiz ursprünglicher Frische,
und die Eigenart Seiner Form
macht es in mehr als einem
Sinne lehrreich.
Eine anmuthige Mädchen-
gestalt, nicht mehr Kind und zur
Jungfrau noch nicht erwachsen;
in der jugendlichen Tracht des
ungegürteten dorischen Chitons,
dessen Uberschlag auf den Ober-
armen zusammengeknöpft ist, so
dass sich Halbärmel zu bilden
scheinen; ohne einen andern
Schmuck als den natürlichen
des Haupthaares, welches voll
in den Nacken hinabfällt und
rig. I Bildnis einer jungen Griechin.
zierlich über der Stirne aufge-
wunden ist; in der einen Hand eine große Granatfrucht, mit der andern den
Lieblingsvogel an die Brust drückend, doch nicht spielend oder liebkosend mit
ihm beschäftigt, vielmehr mit einem leisen, durch die leichte Kopfneigung ver-
stärkten Zuge von Trauer im Gesicht den ernsten Blick verloren in die Ferne
richtend: als Ganzes wie in allen Einzelheiten gleicht die Erscheinung den
Jahreshefte des österr. arcbäol. Institutes Bd. I.