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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Bieńkowski, Piotr: Zwei Sculpturen der praxitelischen Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0202

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190

Der Kopf war auch hier stark nach links geneigt, von den an der linken Hüfte
zierlichst aufgestützten Fingern sind noch Ansatzspuren vorhanden. Das linke
Bein, an dem die Länge des Oberschenkels einigermaßen auffällt, war leicht
vorgesetzt; der rechte. Oberschenkel ist an derselben Stelle gebrochen, wo an
dem Florentiner Exemplar eine geflickte Stelle die Berührungsfläche einer ab-
gearbeiteten Stütze anzeigt.

Wird an dem Florentiner Torso die ungemein weiche Behandlung des
Fleisches gerühmt, so wirkt dasselbe an der afrikanischen Copie noch edler und
feiner. Während an jenem nämlich eine üppige Fettunterlage die Muskulatur
des Körpers fast ganz verhüllt, ist hier die Brust und der Bauch in jener zarten,
aber präcisen Modellierung ausgeführt, welche man an der Neapler Bronze mit
Recht zu bewundern pflegt. So dürfte die afrikanische Copie dem Originale,
welches wahrscheinlich in die erste Generation nach Praxiteles gehört, näher
stehen, und bei der Beurtheilung des Stiles wird von ihr auszugehen sein.

In diesem Zusammenhange sei es mir erlaubt, meine Auffassung eines
anderen Werkes der praxitelischen Schule, der nur im Gipsabgüsse von R. Mengs
erhaltenen Satyrstatue in Dresden, auf Grund erneuter Untersuchung zu berich-
tigen.3) An dem linken Oberschenkel erscheint seitwärts ein runder, seichter
Ausschnitt, welcher nur die Berührungsfläche einer abgemeißelten Stütze, wohl
eines Astes von dem Stamme, der daneben stand, darstellen kann. Thatsächlich
passt die ganze Stellung viel besser zu einer leicht mit dem linken Arm sich
anlehnenden, als zu einer freistehenden Figur. Außerdem ist der obere und der
untere Rand der Nebris abgearbeitet; an der Nebris selbst sieht man eine rund-
liche Einsenkung, wohl Anstoßfläche eines abgemeißelten Gegenstandes. Auch
die Oberfläche des linken Armes sieht nicht ganz unversehrt aus. So darf man
nicht mehr an einen einschenkenden, sondern einen ausruhenden Satyr denken,
welcher vielleicht nach Analogie von Clarac-Reinach II 1, 137 Fig .5 in der mit
dem linken Arm vorgehaltenen Nebris außer Früchten das kleine Dionysoskind
trug, während die Rechte mit der Weintraube oder dem Pedum erhoben war.

Auch in Bezug auf den Stil ergab die wiederholte Betrachtung, dass der
Körper in anderer Manier modelliert ist als der Kopf; der Torso zeigt eine
ausgesprochen hellenistische Vorliebe für naturwahre sehnige Muskulatur, während
der Kopf gut praxitelisch ist. Dr. P. Herrmann, dem diese Anomalie ebenfalls
auffiel, wäre geneigt anzunehmen, dass der Kopf ursprünglich nicht zu der Statue
gehörte, nach welcher der Abguss genommen war; darauf würde nach ihm die

3j Revue archeol. I895 t. V; jetzt auch Clarac-Reinach II I, 134, Fig. 5.
 
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