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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 26.1908

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Schilling, ...: Die Haltung der katholischen Feiertage in der ehemaligen Reichsstadt Biberach seitens der bei Andersgläubigen im Dienste stehenden katholischen Dienstboten und Handwerksgehilfen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20209#0034

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18

Mlch bestendigeu Flaischesßens ahn ge-
bottenen Fasttagen vihl dem Luthertumb
zugegangen vndt abgefallen", und erst
kürzlich wieder zwei Knechte übergetreten
seien. Versagte ein Dienstbote den Ge-
horsam und hielt den katholischen Feier-
tag nach Vorschrist seiner Kirche, so wurde
er nicht selten mißhandelt, jedenfalls aber
ihm der Dienst gekündigt und vom
Jahreslohn nur das abverdiente Ratum
ansbezahlt. Da aber die Dienstboten
die Entlassung als eine ihrerseits unver-
schuldete ansahen, und bei nnverschuldeter
Entlassung nach Biberacher Statut der
volle Jahreslohn ansbezahlt werden mußte,
so kam es zu gerichtlichen Klagen und
Streitigkeiten.

Jn den vorhandenen Akten ist zwar
gesagt, daß die katholische Geistlichkeit
es niemals habe daran fehlen lassen, die
betreffenden Dienstboten zur Haltung der
katholischen Feiertage und zur „Absti-
uierung von Fleischspeisen" zu „obligieren".
Doch scheint dies nicht immer mit der uöti-
gen Energie und Beharrlichkeit geschehen zu
sein. Geschärfteres Pflichtbewußtsein und
die angeführten traurigen Erfahrnngen
trieben zu ernsterem und kräfligerem Vor-
gehen endlich an, und damit begann ein
Kampf, der in der reichsstädtischen Ge-
schichte Biberachs einen nicht uninteres-
santen Abschnitt bildet. Jndem wir diesen
Streit nach den im katholischen Pfarr-
archiv zu Biberach vorhandenen Akten
hiemit zur Darstellung bringen, halten
wir uns genau an das Aktenmaterial und
lassen so viel als möglich die Quellen
selbst zum Wort kommen.

I.

Pympelius (Phmpel aus Feldkirch)
Or. "plrool. und von 1671 — 1693 Dekan
und Stadtpsarrer in Biberach, „ein
frommer und exemplarischer Mann", war
nach den Akten der Erste, der die Heiligung
der katholischen Feiertage durch die be-
treffenden Dienstboten und Handwerks-
gehilfen mit Ernst und Nachhalt betrieb.
Auf der einen Seite die Gebote seiner
Kirche und auf der anderen die traurigen
Folgen, die sich an die beharrliche Über-
tretnng derselben knüpften, vor Augen
habend, zugleich eingedenk seiner ge-

schworenen Pflicht, für das Heil der ihm
anvertrauten Seelen zu sorgen, unter-
nahm er es im Jahre 1691 für die
„armen" Dienstboten in die Schranken
zu treten. Jndem er den Katholiken das
Kirchengebot und die Pflicht des Ge-
horsams gegen die Kirche vorhielt, berief er
sich seinen protestantischen Widersachern
gegenüber auf das llnstr. ?uo. Osuubr.,
welches bestimme, daß kein Religionsteil
den anderen in dem frejen blxsroitiririi
roliFioms hindern dürfe. Der prote-
stantische Dienstherr möge Dienstboten
seiner Konfession einstellen, nehme er
aber Katholiken in sein Haus auf, so
dürfe er nach der lox viZons diese nicht
hindern, die katholischen Feiertage zu
halten. Entlasse er einen katholischen
Dienstboten, weil er dem Kirchengebote
nachkomme, und bezahle er ihm — ent-
gegen dem oben erwähnten Biberachischen
Statut — nicht den vollen Jahreslohn,
so verübe er ein Unrecht, wogegen der
verkürzte Dienstbote bei der betreffenden
Behörde Beschwerde zu erheben berechtigt
sei. Das waren die Anschauungen, auf
die sich der Dekan und Stadtpfarrer
Phmpelius bei seinem Vorgehen stützte.
Nachdem der katholische Magistrat Bi-
berachs bei den Magistraten in Augs-
burg, Dinkelsbühl und Ravensburg ka-
tholischen Anteils angefragt, wie es
in fraglicher Angelegenheit dort ge-
halten werde, und die Antworten im
Sinne der Fragesteller eingelaufen waren,
war für Pympelius jedes Bedenken, das
ihn von einem entschiedenen Vorgehen
noch hätte zurückhalten können, gehoben.
Er setzte daher in der sonntäglichen Predigt
die Pflicht und die Art und Weise, die
kirchlichen Feiertage zu halten, auseinander
unter nachdrücklicher Betonung, daß diese
Pflicht auch für diejenigen bestehe, welche
sich bei Andersgläubigen im Dienste be-
finden, und forderte dieselben zum Ge-
horsam gegen die Kirche auf. Auch ließ
er die „evangelischen Maisterschaften" höf-
lich vnd freundlich ersuchen, ihren ka-
tholischen Dienstboten die Haltung der
katholischen Feiertage nach katholischem
Kirchengebrauche zu gestatten, und an
katholischen Fasttagen sie nicht mit Fleisch-
speisen zu beschweren, ein Ersuchen, wel-
ches „zum Thail mit Wohlwollen, zum
 
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