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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 26.1908

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Beck, Paul A.: Wangenheim in Württemberg: eine Säkularerinnerung
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84

S. 126—128) allerdings vergebens, vom
preußischen Hof reklamieren. Jn seiner
Stellung als Finanzdepartementchef be
kam der charakterfeste und überzeugungs-
treue W. alsbald Differenzen und geriet
in Konflikte, die nur durch Versetzung
in ein anderes Amt gelöst werden konnten.
Er wurde im Jahre 1809 zum Präsi-
denten der Oberregierung, 1811 zum
Kurator der Universität Tübingen und
Obertribunal- und Oberstudienrat-Präsi-
denten mit dem Sitz in Tübingen er-
nannt, welche Stellung seinen Talenten,
sowie seiner Neigung entsprach. Hier war
er, in seiner Jugend ursprünglich selbst
Theologe unü mit einem tüchtigen „Schul-
sack" ausgerüstet, sozusagen in seinem
Elemente; den „Stiftlern", welche be-
kanntlich von jeher im Lande der Magister
und Präceptoren sich nicht auf ihr Kirchen-
tum beschränkten, sondern fast in den
ganzen Staatsdienst „hinübermachten",
war er gewachsen, wenn nicht über. Eines
seiner Hauptverdienste um die Hochschule
war die über Anregung Lists erfolgte
Errichtung einer eigenen staatswirtschaft-
lichen Fakultät im Jahre 1817. Ebenso
betrieb er die Errichtung einer eigenen
Professur für deutsche Sprache und Lite-
ratur, für welche er in der Folge den
— von der Fakultät aber abgelehnten,
um jene Zeit in Stuttgart lebenden —
Dichter Fried. Rückert in Vorschlag
brachte. W. war sehr für den neuschell-
ingischen Theismus eingenommeu, wes-
halb er auch den stark einer materialistisch-
pantheistischen Auffassung der Natur hul-
digenden Kielmeyer von der Hochschule
gehen ließ. Jn der „Geschichte der Uni-
versität Tübingen" von Klüpfel wird W.
als ein geistvoller Mann von universeller
Bildung und sprudelnder Begeisterung
für alles Wahre, Schöne und Gute ge-
kennzeichnei, der sich mit dem lebendigsten
Jnteresse den Universitäts-Angelegenheiten
hingab, von denen manche zum Heil der
Universität ausgeführt wurden, manche
in der Ausführung verunglückten oder
durch die Ungunst der Zeiten nicht be-
rücksichtigt werden konnten. „Sein
Hauptverdienst ist wohl" — so fährt die
angeführte Charakteristik fort — „daß er
eine freiere Bewegung in die Universitäts-
leitung brachte, was gegenüber von ge-

lehrter Pedauterie uud kanzleimäßiger Be-
handluug der Universitäts-Angelegenheiten
besonders wohltuend auffiel. Sein le-
bendiger Geist machte ihn in hohem
Grade geschickt, auf die verschiedenen,
wissenschaftlichen Jnteressen mit Leichtig-
keit einzugehen und auch den Gelehrten
zu imponieren. . ." Auch mit den Stu-
denten, unter welchen zu seiner Zeit das
Verbindungswesen gar üppig empor-
blühte und namentlich die Burschenschaft
aufgekommen war, wußte sich der leut-
selige und von Verständnis für die Freuden
und Leiden der akademischen Jugend be-
seelte Wangenheim zu stellen. Nach des
Oberfinanzrats Eser „Lebenserinnerun-
gen rc." (Ravensburg, bei Fried. Alber,
1907, S. 127) schien Wangenheim mit
den Studenten auf gutem Fuß zu stehen,
da er sich, wie Eser wahrnahm, bei
einem öffentlichen Anlasse mit verschiedenen
derselben lebhast unterhielt. Bekanntlich
begann dann der lange fortdauernde Ver-
fassungs streit in Württemberg, der sein
Jnteresse in dem Maße in Anspruch
nahm, daß er sich nicht enthalten konnte,
seine Meinung darüber dem Lande in
einer öffentlichen Schrift: „Die Jdee
der Staatsverfassung in ihrer Anwendung
auf Württembergs alte Landesverfassung
und den Entwurf zu deren Erneuerung",
Frankfurt a. M., 1815, (s. dazu auch:
Heinr. Eberh. Glo. v. Paulus, philo-
sophische Beurteilung der v. Wangen-
heim'schen Jdee der Staatsverfassung rc.
Heidelberg bei Winter, 1817) vorzulegen.
Auch ist Wangenheim der Urheber des
württembergischenZweikammersystems,
auf welches der König als ihm zusagend
alsbald einging. Das nahmen ihm, dem
Ausländer, aber die altwürttembergischen
Stände sehr übel. Wie kann dieser Ko-
burger, sagten sie sich, herausnehmen,
uns Württemberger üelehren zu
wollen?! Grund genug für die Charakter-
eigentümlichkeit König Friedrichs, ihn ge-
rade deshalb zum Mitglied der Ver-
fassungskommission zu ernennen. Jn
dieser Stellung konnte er, wie jeder leicht
begreifen wird, der altwürttembergische
Naturen einigermaßen kennen gelernt hat,
zu einer durchdringlichen Wirksamkeit nicht
gelangen, überdies wurden die Arbeiten
der Kommission durch den im Jahre 1816
 
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